Zusammenfassung
In einer Novellierung des österreichischen Bundes-Krankenanstaltengesetzes im Jahre
1993 wurde festgelegt, dass in Österreichs Krankenanstalten eine ausreichende psychologische
und psychotherapeutische Versorgung der Pa-tienten zu gewährleisten sei. Die vorliegende
Untersuchung machte sich zum Ziel, den Grad der Verwirklichung dieser Vorgabe bezüglich
der psychotherapeutischen Betreuung im Allgemeinen Krankenhaus Wien (AKH) zu eruieren.
125 der 128 Mitarbeiter mit einer psychotherapeutischen Ausbildung konnten mittels
teilstandardisierter Interviews erfasst werden. Diese relativ große Anzahl psychotherapeutisch
geschulter Personen kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass unangemessene strukturelle
Voraussetzungen eine adäquate Versorgung der PatientInnen erschweren. So ist ein Großteil
der Befragten aufgrund anderer beruflicher Qualifikationen (Arzt, Psychologe etc.)
angestellt und verwendet daher nur einen relativ geringen Anteil der Arbeitszeit für
die psychotherapeutische Betreuung ihrer Patienten. Mängel zeigen sich bezüglich räumlicher
und zeitlicher Ressourcen ebenso wie hinsichtlich klarer Arbeitsplatzbeschreibungen,
angemessener Tätigkeitsprofile und Qualifikationsanforderungen. Diese festgestellten
Defizite weisen auf die Notwendigkeit hin, fachlich fundierte Organisationsstrukturen
zu schaffen, die eine professionelle Vernetzung und eine optimale Nutzung von Ressourcen
ermöglichen.
Psychotherapeutic Resources in the General Hospital of Vienna - A Representative Empirical
Survey
Since 1993 the Austrian Federal-Hospital-Law demands the guarantee of adequate psychotherapeutic
and clinical psychological care in Austrian hospitals. The target of the present survey
was to explore the extent of realisation of this demand concerning the psychotherapeutic
care in the General Hospital of Vienna (AKH). 125 of the 128 employees with psychotherapeutic
qualifications were interviewed. The considerable number of psychotherapeutically
qualified employees cannot obscure the fact that inadequate structural preconditions
impede a satisfying care. These are: most of the interviewed persons have been employed
because of other vocational qualifications (medical doctors, psychologists etc.).
Therefore they can only use a very limited part of their worktime on psychotherapeutic
interventions. Deficits of spatial and temporal resources could be detected as well
as unclear vocational characteristics and qualification requirements. These deficits
point out the necessity of developing professionally founded organisation structures,
which enable well aimed networking and an optimal usage of resources.
Key words
Consultation/liaisonservice in psychotherapy - Professional development of psychotherapists'
- Vocational characteristics - Representative survey - Psychotherapy research
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persönl. Manuskript, im Druck
10 Grossmann R.
Teamarbeit im Krankenhaus. In: Frischenschlager O et al. (Hrsg) Lehrbuch der psychosozialen Medizin. Wien; Springer
1995: 900-917
1 Diese Arbeit wurde aus Drittmitteln der Kammer für Arbeiter und Angestellte Wien
finanziert.
2 Der leichteren Lesbarkeit halber verwenden wir die männliche Geschlechtsbezeichnung.
3 Der „Arzt für psychotherapeutische Medizin” ist eine über die österreichische Ärztekammer
geregelte Psychotherapieausbildung für Mediziner, die nicht den Kriterien des Psychotherapeuten-Gesetzes
entspricht, aber mit der eine Refundierung der Honorare durch die Krankenkassen verbunden
ist.
Univ.-Prof. Dr. Marianne Ringler
Universitätsklinik für Tiefenpsychologie und Psychotherapie
Währinger Gürtel 18 - 20
1090 Wien
Österreich
eMail: Marianne.Ringler@akh-wien.ac.at