Zentralbl Chir 2001; 126(2): 155-156
DOI: 10.1055/s-2001-12417-2
Originalarbeiten und Übersichten

J.A.Barth Verlag in Medizinverlage Heidelberg GmbH & Co.KG

Kommentar auf Anforderung der Schriftleitung zum Beitrag „Biodegradation einer PTFE-Prothese”

G. Riepe, N. Chakfé, H. Imig
  • (Hamburg-Harburg, Strasbourg)
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Publication Date:
12 May 2004 (online)

Die Biodegradation von Polyester ist bekannt und seit Anfang der 80er Jahre wiederholt in der Literatur beschrieben [1 4]. Klinische Relevanz erhalten die Materialveränderungen an den heute eingesetzten Prothesen allerdings erst nach über 10jähriger Implantationsdauer. Die Hydrolyse ist als chemischer Abbauprozeß bekannt [4]. Die zelluläre Beteiligung am Abbau des Polyesters konnte bewiesen werden [5]. Offen bleibt die Frage, warum in manchen Bereichen (Leistenregion und proximaler Oberschenkel) ein Prothesenversagen gehäuft und erst nach sehr langer Implantationsdauer vorkommt (in unserem Explantatarchiv bei 23 von 33 rupturierten Polyesterprothesen). Die Vorschädigung des Materials durch traumatisierende Gefäßklemmen und herstellungsbedingte Prothesenschwachstellen im Bereich der Randmaschenlinie und der schwarzen Führungslinie konnten von uns als Erklärungsmöglichkeiten nachgewiesen werden.

Eine Biodegradation von PTFE gibt es nicht. Die vierfach fluorierte Kohlenstoffkette gilt als chemisch inert und unterscheidet sich in ihrer Reaktivität damit vollständig vom hydrolysierbaren Polyester [6]. Abbauprozesse mechanischer Art sind bekannt. Dilatationen, die an früheren PTFE Prothesen beobachtet wurden, konnten durch eine ungleichmäßige Sinterung des Materials erklärt werden [7 8]. Es handelte sich um einen Fehler in der Herstellung, der von Gore® durch einen externen Wrap, von Impra® durch eine Änderung in der QualitÌtssicherung mit DSC-Analyse (Nachweis von Untersinterung) seit Ende der 70er Jahre behoben wurde. Biologische Reaktionen auf PTFE-Fragmente sind beschrieben worden. Hier handelte es sich um Mikrofragmente des abgelösten äußeren Wraps, die von Zellen phagozytiert wurden und an entlegenen Körperregionen nachgewiesen werden konnten [9].

In den 2 Fallbeispielen der Arbeit von Flessenkämper und Müller handelt es sich um einen bei uns selten verwendeten PTFE Prothesentyp (Vitagraft®, heute Mediflex®). Im ersten Fall lagen 2-4 cm durchmessende Prothesenaneurysmata einer 6,5 Jahre alten, mehrfach revidierten 6 mm Vitagraft® Prothese im Bereich des proximalen Oberschenkels vor. Im zweiten Fall führte ein Aneurysma spurium im Bereich einer 3mal operierten Leiste zur Teilexplantation einer 3,25 Jahre alten Mediflex®-Prothese.

Der Titel der Arbeit ist zu provokativ. Eine Biodegradation der heute verwendeten PTFE Prothesen läßt sich in der vorliegenden Arbeit nicht beweisen.

Zum einen werden lediglich 2 Einzelfälle untersucht, von denen nur ein Fall ein echtes Prothesenaneurysma darstellt. Desweiteren waren beide Prothesen mehrfachen Revisionseingriffen ausgesetzt. Die im Rahmen dieser Operationen durchgeführten Maßnahmen zur Thrombektomie werden nicht genannt. Es wird sich nicht nachweisen lassen, inwiefern eine mechanische Schädigung durch die operativen Revisionen die beobachteten Veränderungen erklärt. Denkbar ist, daß die mechanischen Verletzungen von Mikrofibrillen zu Fragmentierungen führten, die Makrophagen im zellreichen, aggressiven, subkutanen Gewebe des proximalen Oberschenkel einen Angriffspunkt am inerten PTFE geboten haben. Zuletzt verfügt die weltweit nur in geringen Mengen vertriebene Vitagraft® (heute Mediflex®) über eine strukturelle Besonderheit. Die Knoten-Fibrillen-Mikrostruktur weist innen einen Knotenabstand von ca. 20 μm, außen einen von ca.500 μm auf. Die bekannteren Prothesen von Impra® und Gore® haben innen und außen den gleichen Knotenabstand von ca. 20 μm. Gore®-Prothesen verfügen außen zusätzlich über eine dünne Verstärkung 10. Die grobporige Außenstruktur soll der Mediflex® ein verbessertes Einheilungsverhalten und eine höhere Knickstabilität verleihen. Es muß aber gefragt werden, ob hierdurch eine erhöhte Verletzbarkeit im Rahmen von Thrombektomieeingriffen resultieren kann. Die beobachteten Aneurysmata hätten damit eine denkbare mechanische Ursache. Die Mediflex® ist nicht mit dem CE-Zeichen versehen. Aufgrund der geringen Vertriebsmenge bestehen Lagerbestände bis 2001, die einen weiteren Abverkauf trotz der seit 14. 6. 1998 erlassenen CE Kennzeichnungspflicht bis Mitte 2001 erlauben. Die Beantragung des CE-Zeichens ist nach Auskunft der Firma vorgesehen 11.

Die vorgestellten Fallbeispiele bestätigen, wie von den Autoren geschlußfolgert, daß die Untersuchung von explantiertem Gefäßersatzmaterial unerläßlich ist. Die Explantatuntersuchung ist ein wichtiges Mittel, um Qualitätsunterschiede verschiedener Prothesentypen festzustellen. In unserem Explantatarchiv konnten wir unter 43 PTFE-Explantaten die Ruptur einer PTFE-Prothese in der Leistenregion nach 18 Jahren und im Verlauf eines axillo-femoralen Bypass nach 9 Jahren Implantationsdauer beobachten. Sollte sich der Einfluß mechanischer Schädigung auf einen Degradationsprozeß bestätigen, so muß dies bei Revisionseingriffen an PTFE Prothesen bedacht werden. Ferner ist dann auch ein Augenmerk auf die denkbar erhöhte mechanische Belastung an der Kontaktfläche von Stent und PTFE in modernen Endoprothesen zu werfen.

Literatur

  • 1 Rudakova T E, Zaikov G E, Voronka O S, Daurova T T, Degtyareva S. The Kinetic specifity of polyethylenterephthalate in the living body.  J Polymer Science: Polymer Symposium. 1979;  66 277-281
  • 2 Guidoin R, King M, Blais P, Marois M, Gosselin C, Roy P, David M, Noel H P. A biological and structural evaluation of retrieved dacron arterial prostheses. In: Weinstein A. et al. (eds). Implant retrieval: Material and biological analysis. Washington DC NBS SP 1981; 601: 29-129
  • 3 King M W, Guidoin R, Blais P, Garton A, Gunasekera K R. Degradation of polyester arterial prostheses: A physical or chemical mechanism?. In: Fraker AC, Griffin CD (eds). Corrosion and degradation of implant materials: Second Symposium. Philadelphia ASTM STP 1985; 859: 294-307
  • 4 Riepe G, Loos J, Imig H, Schröder A, Schneider E, Petermann J, Rogge A, Ludwig M, Schenke A, Nassutt R, Chakfé N, Morlock M. Long-term in-vivo alterations of polyester vascular grafts in humans.  Eur J Vasc Endovasc Surg. 1997;  13 540-548
  • 5 Müller K M, Dasbach G. The Pathology of vascular grafts. Current topics in pathology. Springer, Berlin, Heidelberg 1994; 86: 273-306
  • 6 Boyce B. Physical characteristics of expanded polytetraflourethylene grafts. In: Stanley JC (ed). Biologic and synthetic vascular prostheses. Grune & Stratton 1982; 553-561
  • 7 Cambell C D, Brooks D H, Webster M W. et al . Aneurysm formation in ePTFE prostheses.  Surgery. 1976;  79 491-493
  • 9 Geiger G. Deterioration of PTFE-prostheses wall.  J Cardiovasc Surg. 1991;  32 660-663
  • 10 McClurken M E, McHaney J M, Colone W M. Physical properties and test methods for expanded PTFE grafts. In: Kambic, Kantrowitz, Sung (eds). Vascular graft update: Saftey and performance. Philadelphia ASTM STP 1986; 898: 82-94
  • 11 Firma Medino GmbH, Gehrden .persönliche Korrespondenz

Dr. G. Riepe

Abteilung für Allgemein-, Gefäß- und Thoraxchirurgie
Gefäßchirurgisches Prüflabor
Allgemeines Krankenhaus Harburg

Eißendorfer Pferdeweg 52

D-21075 Hamburg

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