Aktuelle Ernährungsmedizin 2001; 26(1): 33
DOI: 10.1055/s-2001-11613-2
EMPFEHLUNGEN
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Empfehlungen für die optimale Kalziumzufuhr für Kinder und Jugendliche

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Publication Date:
28 April 2004 (online)

Empfehlungen für die optimale Kalziumzufuhr für Kinder und Jugendliche

Stellungnahme von Prof. Dr. med. F. Manz, Dortmund

Die D-A-CH-Referenzwerte 2000 für die Kalziumzufuhr im Kindes- und Jugendalter unterscheiden sich von den Empfehlungen der DGE zur Kalziumzufuhr aus dem Jahr 1991 nur bezüglich der Kalziumzufuhr in den Altersgruppen 7 - 10 Jahre (900 mg/d statt 800 mg/d), 10 - 13 Jahre (1100 mg/d statt 900 mg/d) und 13 - 15 Jahre (1200 mg/d statt 1000 mg/d).

In den 90er Jahren wurde intensiv über den Kalziumstoffwechsel in der Pubertät gearbeitet. Die Kalziumretention erreicht ihr Maximum zum Zeitpunkt der größten Wachstumsgeschwindigkeit (age at peak height velocity). Bei Mädchen liegt dieser Zeitpunkt bei etwa 12 Jahren, bei Jungen bei 14 Jahren. Danach geht die Kalziumretention stark zurück. Es erscheint folgerichtig, das Angebot dann reichlich zu gestalten, wenn der Nährstoff vom Körper besonders reichlich aufgenommen wird. Dieser Aspekt wurde 1991 nicht in diesem Umfang berücksichtigt. Damals wurde den 13 - 15-Jährigen nur 1000 mg/d und den 15 - 19-Jährigen 1200 mg/d empfohlen. Für die Anhebung der Kalziumzufuhr in den beiden Altersklassen 7 - 10 Jahre und 10 - 13 Jahre gelten entsprechende Überlegungen.

In den 90er Jahren fand ein Bedeutungswandel in der Konzeption und Interpretation von Nährstoffzufuhrempfehlungen statt. Noch die 10. Überarbeitung der Recommended Dietary Allowances (RDA) der USA von 1989 stand ganz unter der Prämisse der Nährstoffmangelprophylaxe. Die neuen Empfehlungen der Dietary Reference Intakes (DRI) der USA von 1997 setzen sich erstmals die Prävention chronischer ernährungsbeeinflussbarer Krankheiten als zusätzliches Ziel zur Aufgabe [1]. Im Falle der Kalziumzufuhr ist dieses Ziel die Prävention der Altersfraktur. Im Altersbereich von 9 bis 30 Jahren gilt als Maß für die zu empfehlende KaIziumzufuhr die wünschenswerte Kalziumretention, d. h. die Kalziumzufuhr, bei der eben eine maximale Kalziumretention beobachtet wird. Im Hintergrund steht dabei die Erwartung, dass eine hohe Knochenmasse in jungen Jahren, die Folgen des Knochenabbaus im Alter möglichst lange hinausschiebt. Bei Mädchen in der Pubertät wird die wünschenswerte Kalziumretention nach den Untersuchungen und Berechnungen von Jackman et al. bei einer Kalziumzufuhr von 1300 mg/d vermutet [2]. Die DRI empfehlen deshalb für Kinder und Jugendliche im Alter von 9 - 18 Jahren eine Kalziumzufuhr von 1300 mg/d. Die DRI sind zweifelsohne die sorgfältigst erarbeiteten und bestbegründeten Nährstoffzufuhrempfehlungen der Welt. (Angesichts der hohen Fördermittel ist dies kein Kunststück; die D-A-CH-Referenzwerte wurden ehrenamtlich erarbeitet!)

Dennoch wichen die Autoren der D-A-CH-Referenzwerte gerade hinsichtlich der Kalziumzufuhrempfehlungen in der Pubertät sehr deutlich von dem Modell von Jackman und den DRI sowohl hinsichtlich der Höhe der Empfehlungen als auch der zu empfehlenden Mittel, um diese zu erreichen, ab.

Der Text besagt, dass „der präventive Nutzen einer sehr hohen Kalziumaufnahme nicht ausreichend belegt ist”. „Werden die Zielvorgaben dieser Prävention durch eine höhere Kalziumzufuhr mit Mischkost nicht erreicht, so rechtfertigt dies für sich allein noch nicht die Empfehlung von Kalziumsupplementen und kalziumangereicherten Lebensmitteln”.

Referenzwerte sind Handlungsanweisungen und deshalb in bestimmten Fällen nur zum Teil wissenschaftlich belegt bzw. belegbar. Sie enthalten stets auch Elemente des Kompromisses und der Wertung. Die Referenzwerte zur Kalziumzufuhr wurden z. B. nur alters- und nicht geschlechtsspezifisch ausgearbeitet; die Zufuhrempfehlungen für Mädchen sind aufgrund der durchschnittlich niedrigeren Energiezufuhr deshalb meist relativ hoch. Die Vorarbeiten zu den D-A-CH-Referenzwerten wurden 1998 abgeschlossen. Neuere Arbeiten bestätigen die Bedenken der D-A-CH-Referenzwerte.

Die D-A-CH-Nährstoffzufuhrwerte wurden bewusst als Referenzwerte bezeichnet. Die neue Bezeichnung soll Nutzer daran erinnern, dass die neuen Werte als „Referenzwerte” ehrgeizige Zielvorgaben haben (97,5 % der Altersgruppe ausreichend versorgt unter Einschluss des Versuches der Berücksichtigung der Prävention chronischer ernährungsbeeinflussbarer Erkrankungen) und deshalb differenziert zu betrachten und zu interpretieren sind.

Literatur

  • 1  Institute of Medicine Food and Nutrition Board. Dietary reference intakes for calcium, phosphorus, magnesium, vitamin D and fluoride. National Academy Press 1997
  • 2 Jackman L A. et al . Calcium retention in relation to calcium intake and postmenarcheal age in adolescent females.  Amer J CIin Nutr. 1997;  66 327-333

Prof. Dr. med. F. Manz

Forschungsinstitut für Kinderernährung Dortmund an der Universität Witten/Herdecke

Heinstück 11
44225 Dortmund (Brünninghausen)

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