Laryngorhinootologie 2000; 79(11): 698-702
DOI: 10.1055/s-2000-8300
GESCHICHTE
Georg Thieme Verlag Stuttgart ·New York

Oscar Wilde. Medizinische Betrachtungen zu seinem 100. Todestag am 30. November 2000

H. Feldmann
  • HNO-Klinik, Universität Münster
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Publication History

Publication Date:
31 December 2000 (online)

Zusammenfassung

Hintergrund und biographische Notizen: Oscar Wilde, der geistreiche Dichter, Essayist und Autor erfolgreicher Schauspiele, Sohn des berühmten Augen- und Ohrenarztes William Wilde in Dublin, ist am 30. November 1900 im Alter von 46 Jahren in einem Pariser Hotel an einem otogenen Hirnabszess verstorben. Einleitend werden die biographischen Stationen kurz skizziert. Wilde wurde 1895 auf dem Höhepunkt seiner schriftstellerischen Laufbahn wegen seiner homosexuellen Verbindungen zu zwei Jahren Gefängnis mit Zwangsarbeit verurteilt. Die Krankengeschichte: Durch die Haftbedingungen und Durchfälle verlor er in den ersten Monaten 30 Pfund an Gewicht und wurde sehr geschwächt. Obwohl er sich einmal an einem Sonntag Anfang Oktober 1895 sehr schlecht fühlte und bat, liegen bleiben zu dürfen, wurde er von dem Gefängnisarzt, der ihn für einen Simulanten hielt, gezwungen, an der Andacht in der Gefängniskapelle teilzunehmen. Dort kollabierte er und zog sich einen Schädelbruch mit Beteiligung des rechten Ohres, vermutlich eine laterobasale Fraktur, sowie eine Commotio mit Bewusstlosigkeit zu. Zuvor hatte auf dem Ohr schon eine gewisse Schwerhörigkeit bestanden, wahrscheinlich eine blande chronische Mittelohrentzündung. Das rechte Ohr blutete, und es stellte sich eine über viele Monate anhaltende Ohreiterung z. T. mit heftigen Schmerzen ein. Nach der Entlassung aus dem Gefängnis 1897 waren die Beschwerden vorübergehend gering, und Wilde machte mit Freunden Reisen durch Frankreich und Italien und bezog schließlich in einem Hotel in Paris ein kleines Appartement. Im September 1900 stellten sich wieder sehr heftige Ohrenschmerzen rechts ein, und Wilde wurde bettlägerig. Er wurde von mehreren Ärzten betreut. Am 10. Oktober nahm ein französischer Chirurg in dem Pariser Hotel eine Ohroperation vor, wahrscheinlich in Form des vom Vater Wilde angegebenen Wildeschen Schnittes. Der tödliche Ausgang konnte aber damit nicht aufgehalten werden. Diskussion: Der Krankheitsverlauf wird im einzelnen an Hand der überlieferten Zeugnisse dargestellt, analysiert und mit den um 1900 verfügbaren medizinischen Kenntnissen und therapeutischen Möglichkeiten in Beziehung gesetzt. Eine erfolgreiche Behandlung wäre damals auch unter günstigeren Bedingungen kaum möglich gewesen.

Oscar Wilde, Medical Considerations at the Centenary of his Death, 30th November 2000

Background and biographical annotations: Oscar Wilde, the brilliant poet, essayist and playwright, son of the famous oculist and aurist William Wilde in Dublin, died on November 30th 1900 at the age of 46 of an otogenic cerebral abscess. By way of introduction the biographical stations are briefly outlined. In 1895 Wilde at the summit of his career was found guilty of homosexual intercourse and sentenced to two years of imprisonment and forced labour. The case history: As a sequence of the circumstances in the prison and diarrhoea Wilde lost 30 lbs weight during the first months and became very weak. Although one Sunday early in October 1895 he felt very sick and begged to be allowed to stay in bed the doctor of the prison taking him for a malingerer forced him to get up and attend the service in the chapel. There he collapsed and suffered a fracture of the skull involving the right ear, and a concussion with temporary unconsciousness. Previously there had been a mild deafness of this ear, probably a bland type of chronic otitis media. After the accident there was bleeding from the ear and suppuration which lasted for many months often associated with heavy pain. After the discharge from prison in 1897 for a while the complaints were slight and Wilde travelled around France and Italy accompanied by friends. Finally he settled down in a hotel in Paris. In September 1900 heavy earache recurred and Wilde was confined to bed. Several doctors were taking care of him. At October 10th 1900 a Parisian surgeon performed an operation on Wilde's right ear, probably of the kind that had been suggested by his father William Wilde: Wilde's incision. The lethal outcome could not be averted. Discussion: The case history is reported in detail based on the extant documents, analysed and put in relation to the medical knowledge and therapeutical means available around 1900. A successful treatment would not have been possible at that time, even under more favourable circumstances.

Literatur

  • 01 Ellman R. Oscar Wilde. Alfred A. Knopf, New York 1988; dtsch. München, Zürich; Piper-Verlag 1991
  • 02 Hyde M. Oscar Wilde. Farrar, Strauss und Giroux, New York 1975; dtsch. Oscar Wilde, Triumph und Verzweiflung. München; Wilhelm Heyne 1982
  • 03 Wilde W. Practical Observations on Aural Surgery and the Nature and Treatment of Diseases of the Ear. Churchill, London 1853. Practische Bemerkungen über Ohren-Heilkunde und die Natur und Behandlung der Krankheiten des Ohres. Dtsch. Übersetzung von E. v. Haselberg. Göttingen; Wigand 1855
  • 04 Cawthorne T. The last illness of Oscar Wilde. Meeting November 5, 1958.  Proc Royal Soc Med. 1959;  52 123-127

Prof. Dr. med. Harald Feldmann

Univ.-HNO-Klinik

Kardinal-von Galen-Ring 10 48149 Münster

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