Abstract
Die Perspektive der multidimensionalen Genese von psychischen Störungen betont auch
bei Persönlichkeitsstörungen eine enge Verwobenheit von biologischen, psychischen
und sozialen Einflussfaktoren für Entstehung und Krankheitsverlauf. In einem integrativen
Behandlungskonzept sind konsequent auch notwendige Kombinationen von psycho- und
sozialtherapeutischen Ansätzen einerseits und psychopharmakologischen Optionen andererseits
zu fordern. Im Falle der Borderline-Persönlichkeitsstörungen ist zu beachten, dass
lediglich eine Untergruppe von Patientinnen entscheidend von psychologischen Behandlungen
allein profitiert. Verlaufsstudien weisen auf hohe Abbruchquoten in Psychotherapien,
auf häufige Krisensituationen mit notfallpsychiatrischem Charakter sowie eine hohe
psychiatrische Komorbidität hin, die je für sich andere therapeutische Ansätze notwendig
machen. In einer theoretischen Sicht kann der Einsatz von Psychopharmaka bei Patientinnen
durch drei Aspekte legitimiert werden: durch eine Nähe zu Achse-1-Störungen wie etwa
den affektiven Störungen, durch distinkte psychopathologische Dimensionen (z. B.
perzeptiv-kognitive, affektive, Angst-, Impulskontrollstörungen), die auf definierte
neurobiologische Dysfunktionen verweisen, durch zahlreiche komorbide psychiatrische
Störungen. In einer pragmatischen Sicht erscheint ein Einsatz von Psychopharmaka
vor allem bei rezidivierenden suizidalen und parasuizidalen Handlungen, psychotischen
Dekompensationen, massiven Angstzuständen und schwerwiegenden affektiven Verstimmungen
indiziert. Anhand der vorliegenden empirischen Studien zu Behandlungsresultaten von
Neuroleptika, Antidepressiva, Benzodiazepinen, Lithium und anderen Mood-Stabilizern
sowie Opiatantagonisten werden orientierende Behandlungsrichtlinien für die psychiatrische
und psychotherapeutische Praxis vorgestellt. Grundlegend erscheint, dass jede Form
einer spezifischen Psychopharmakotherapie nur im Kontext einer individuellen Arztpatienten-Beziehung
zu verstehen ist und sinnvollerweise nur innerhalb eines integrierten Behandlungsmodells
erfolgen sollte.
Keywords
Borderline Persönlichkeitsstörung - Psychopharmakotherapie - integrati-ves Behandlungsmodell