Cent Eur Neurosurg 2000; Vol. 61(4): 198-205
DOI: 10.1055/s-2000-15601
Mitteilungen des Kuratoriums ZNS

© Johann Ambrosius Barth

Pilotprojekt SHT - Konzeption einer Studie zur Epidemiologie und Versorgungsforschung bei Schädel-Hirn-Traumen

E. Rickels, U. Lehmann, C. Gernreich, W. Bock, W. Gobiet, R. Wiechers, B. Sens, K. Mayer, K. R.H. v. Wild, H. Wassmann
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Publication Date:
31 December 2000 (online)

Einleitung

Epidemiologie

Sicherlich hat die medizinische Versorgung von Schädel-Hirn-Verletzungen - und hier insbesondere die Versorgung der schweren Schädel-Hirn-Traumen - in der Bundesrepublik Deutschland ein hohes Niveau erreicht (s. z. B. Ergebnisse der Novartis-Saphir-Studie). Jedoch fehlen exakte Daten zur Epidemiologie, zu den Versorgungsverläufen, zur langfristigen Morbidität, aber auch zum Status der sozialen und beruflichen Wiedereingliederung sowie zu entstandenen Kosten.

Zwar werden Daten von verschiedenen Stellen erfaßt, eine Zusammenführung und Gesamtübersicht läßt sich jedoch daraus nicht erstellen. Das statistische Jahrbuch gibt das Auftreten von Schädel-Hirn-Traumen für 1996 mit ca. 280 000 an. Die Verschlüsselung und Dokumentation der Diagnosen nach ICD 9 bzw. nun ICD 10 scheint jedoch keine validen Daten herzubringen, da die Nennung der Diagnosen beeinflußt wird durch z. B. klinikinterne oder behandlergebundene Gewichtungen bei mehrfachen Diagnosen sowie die unzureichende Differenzierung der Diagnosen.

Auswertbare weiterführende Datensammlungen existieren weder bei Versicherungen, Berufsgenossenschaften oder anderen Sozialleistungsträgern.

Verschiedene Fachgesellschaften haben sich der systematischen Erfassung von Daten zu Schädel-Hirn-Traumen angenommen, mit jedoch oft unterschiedlichen Intentionen. Jedoch wurde in keinem Ansatz eine breite Zielpopulation beobachtet. So rekrutiert die Datendokumentation der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie primär klinische Daten aus Notarztprotokollen und bezieht sich damit nicht auf leichte und mittlere Verletzungsschweregrade. Das European Brain Injury Consortium [[1]] hat die Verläufe und die Ergebnisse schwerer Schädel-Hirn-Verletzungen in den angeschlossen Zentren gut dokumentiert, schließt aber im Ergebnis nur eine kleine Subpopulation ein. Ausländische Datensammlung wie die der amerikanischen National Coma Data Bank beruhen wiederum auf der statistischen Auswertung weniger Zentren [[2], [3]]. Eine uneingeschränkte Übertragung ausländischer Daten ist aufgrund unterschiedlicher Strukturen der Rettungs- und Gesundheitssysteme zudem nicht möglich.

Es gilt festzuhalten, daß es derzeit weltweit keine verläßlichen Daten über Inzidenzen und persistierende Morbiditäten bei Schädel-Hirn-Verletzungen gibt. Dieses gilt insbesondere für leichte und mittelschwere Schädel-Hirn-Traumen.

Klinische und gesellschaftspolitische Fragestellungen

Neben den epidemiologischen Daten sind auch Informationen zu Prozeßverläufen und Versorgungsergebnissen bezogen auf das deutsche Gesundheitssystem kaum zu finden. Es ist zu klären, ob das als leicht bezeichnete Schädel-Hirn-Trauma tatsächlich leicht ist. Es stellt sich auch die Frage, ob der Unterschied zwischen GCS 15 und 14 nur ein Punkt Differenz auf einer Skala ist oder ob es sich um einen klinisch verifizierbaren Unterschied bzgl. Morbidität und Krankheitsverlauf handelt. Weiterhin ist unklar, ob sich leichte und mittlere Traumen wirklich vollständig erholen und ob sich die familiäre und berufliche Wiedereingliederung so problemlos gestaltet, wie es weitläufig angenommen wird. Auch ist unbekannt, bei wie vielen Patienten es zu einer sekundären Verschlechterung kommt, so daß rückwirkend die Schwere des Traumas als verkannt bezeichnet werden muß. Viele unbeantwortete Fragen stellen sich außerdem zum Themenkomplex der Kosten, die direkt und indirekt durch Schädel-Hirn-Verletzungen in der Gesellschaft entstehen.

Literatur

  • 1 Maas. et al . EBIC-guidelines for managemant of severe head injurry in adults.  Acta Neurochir (Wien). 1997;  139 286-294
  • 2 Marshall L F. et al. . The National Coma Data Bank.  J Neurosurg. 1983;  59 276-284
  • 3 Traumatic Coma Data Bank Manual of Operation. U.S. Departmant of Commerce, NationalTechnical Information Service PB87-228060

Prof. Dr. med. Eckhard Rickels

Neurochirurgie

Medizinische Hochschule Hannover

Carl-Neuberg-Straße 1

D-30623 Hannover

Dr. Christine Gernreich

Zentrum für Qualitätsmanagement im Gesundheitswesen

Ärztekammer Niedersachsen

Postfach 4749

D-30047 Hannover

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