NOTARZT 2000; 16(1): 13-14
DOI: 10.1055/s-2000-10
SUPPLEMENT - REANIMATION 2000
Supplement - Reanimation 2000
Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Reanimationen im Rettungsdienst in Bayern

P. Sefrin, M. Brandt
  • Klinik für Anaesthesiologie (Direktor: Prof. Dr. med. N. Roewer) der Universität Würzburg
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Publication Date:
31 December 2000 (online)

 

Die Effektivität des Rettungsdienstes wird häufig an der Einsatzindikation „Reanimation” gemessen. Dies geschieht einmal vor dem Hintergrund der unmittelbaren Nachweisbarkeit des Erfolges einer umschriebenen notfallmedizinischen Maßnahme und zum anderen wegen der guten medizinischen Messbarkeit der Sicherung der Vitalfunktionen. Viele regionale Studien leiden an geringen Fallzahlen. Dadurch bedingt kann häufig eine Repräsentanz der Untersuchungsergebnisse nicht unterstellt werden. Dies erklärt auch teilweise widersprüchliche Aussagen in derartigen Studien. Wenn heute eine Optimierung der notfallmedizinischen Leistungen angestrebt wird, dann kann dies nur auf der Basis repräsentativer Daten geschehen.

Durch die verbindliche landesweite Einführung des DIVI-Notarztprotokolls (Version 2.5) durch die Kassenärztliche Vereinigung Bayerns ergab sich für dieses Bundesland erstmals die Möglichkeit einer Datensammlung aus städtischen und vornehmlich ländlichen Regionen, die auf Grund der Anzahl der Datensätze den Anspruch auf Repräsentanz erheben kann. In eine modellhafte Auswertung konnten 200 220 Notarztprotokolle einbezogen werden. Es wurden nur Datensätze verwendet, die die wesentlichen Aussagen des Einsatzes enthielten und nicht nur Einzelfakten dokumentierten. Das Fehlen einzelner Variablen, die nicht ausgefüllt wurden, erklärt eine differente Grundgesamtheit ebenso wie mögliche Doppelnennungen.

In dem ausgewerteten bayerischen Einsatzkollektiv wurden 7383 dokumentierte Reanimationen in den Jahren 1997/98 durchgeführt, was einem Anteil von 3,7 % am Gesamtkollektiv entspricht. 66,5 % der Patienten waren männlich und 33,5 % weiblich. Das Durchschnittsalter der Patienten betrug 63,6 Jahre, wobei der Schwerpunkt auf den Altersbereichen zwischen 60 und 80 Jahren lag (61 - 70 Jahre - 24,6 %; 71 - 80 Jahre - 24,7 %). Erstaunlich war, dass die Altersgruppe der 81 - 90-Jährigen immerhin noch mit 12,7 % am Kollektiv beteiligt war. Kinder und Jugendliche (unter 10 Jahre) waren nur in 2,1 % der Fälle betroffen. Deutlich wird aus dieser Zusammenstellung, dass Reanimationen vor allem bei Patienten in höheren Lebensjahren als notärztliche Maßnahme erforderlich werden.

Ursache für einen Kreislaufstillstand waren in 86 % der Fälle im weitesten Sinne Erkrankungen und nur in 14 % Verletzungen. Im Gegensatz zu Aussagen in der Literatur waren die Reanimationschancen bei Verletzungen, die sonst als gering bezeichnet werden, in der gleichen Größenordnung wie bei den Erkrankungen. 31,6 % der Reanimationen bei Verletzungen und 34 % bei Erkrankungen waren bei dem zu diesem Punkt vorhandenen Aussagen (bei 5314 Patienten) primär erfolgreich und damit fast identisch (Abb. [1]).

Der Erfolg einer Reanimation ist im Besonderen zeitabhängig, denn je früher die Erstmaßnahmen einsetzen, desto größer wird der Erfolg sein. Natürlich hängt die Eintreffzeit am Notfallort von den regionalen Strukturen ab. Bei der Summation städtischer und ländlicher Einsatzstellen konnten lediglich 19,3 % der Patienten innerhalb von 5 Minuten erreicht werden. Allerdings waren bis zu 10 Minuten 75,6 % der Patienten in der Hand des Notarztes, um über die Basismaßnahmen hinaus mit den erweiterten Maßnahmen der Reanimation beginnen zu können. Bis 15 Minuten waren 92,1 % der Patienten erreicht (Abb. [2]). Der Erfolg im Sinne einer Wiederherstellung des Kreislaufes ist vor allem auch von den zeitlichen Vorgaben abhängig. Während bei Eintreffzeiten bis 5 Minuten 35 % der Patienten primär wiederbelebt werden konnten, sank der Anteil nach 15 Minuten auf 27,9 % und nach 20 Minuten auf 24,8 % (Abb. [3]).

Um die Zeit bis zum Eintreffen des Rettungsdienstes und Notarztes zu verkürzen, ist die Mithilfe von Notfallzeugen gefordert. In den Notarztprotokollen ist die Erste Hilfe durch Helfer nicht nur als Leistung allgemein, sondern auch im Hinblick auf ihre Qualität aufgeführt. In der frühen Phase (bis zu 10 Minuten) haben wesentlich mehr Notfallzeugen die Chance der Hilfe verstreichen lassen, als nach dieser Zeit (44 versus 31,1 %). Erstaunlich ist der hohe Anteil einer suffizienten Hilfe mit 40,3 % bei Eintreffzeiten des Notarztes bis 10 Minuten bzw. mit 49,1 % nach 10 Minuten, was sonstigen Beobachtungen widerspricht.

Von den verschiedenen Formen des Kreislaufstillstandes war die Asystolie die häufigste (56,6 %). Mit 25,3 % folgen Kammerflimmern und mit 9,3 % eine elektromechanische Dissoziation (EMD). Die restlichen Rhythmusstörungen verteilen sich auf ventrikuläre Extrasystolie (2,8 %), AV-Blockierungen (1 %) oder ventrikuläre Tachykardie (0,5 %), die als Vorläufer eines Stillstandes dokumentiert wurden.

Bei 1,3 % der Patienten mit Kreislaufstillstand wurde nur eine Untersuchung durchgeführt, d. h. nach der Untersuchung wurde von einer Reanimation abgesehen. 25 % der Patienten konnten primär erfolgreich reanimiert werden, was nichts über den endgültigen Erfolg aussagt, da diese Aussage im Protokoll nicht enthalten ist. Wenn 36,8 % der Patienten von der Notfallstelle in ein Krankenhaus transportiert wurden, waren unter diesen Patienten nicht nur primär erfolgreich reanimierte Patienten, sondern auch solche, die unter Reanimation transportiert wurden. 2,9 % dieser Patienten starben dann während des Transportes, d. h. die Reanimation wurde wegen Erfolglosigkeit noch vor Aufnahme in ein Krankenhaus abgebrochen (Abb. [4]). Von den transportierten Patienten hatte sich bei 33,8 % der Zustand verbessert, bei 42 % war er gleich geblieben, was sowohl bedeuten kann, dass weiter reanimiert werden musste wie auch dass nach einer primären Stabilisierung dieser Zustand bis zur Übergabe fortbestand. Bei 24,2 % der Patienten hat sich der Zustand bis zum Eintreffen im Krankenhaus verschlechtert.

Mit dieser vorläufigen summarischen Analyse soll der Versuch einer Übersicht über die Situation in Bayern gegeben werden. Für eine Wertung dieser Befunde bedarf es einer weitergehenden speziellen Subanalyse. Insgesamt leidet die Auswertung der Notarztprotokolle an der fehlenden Rückmeldung des Outcomes der Patienten, nachdem bekannt ist, dass der primäre Reanimationserfolg mit Einlieferung in ein Krankenhaus keine Garantie hinsichtlich eines dauerhaften Überlebens darstellt. Deutlich wurde vor allem, dass wesentlich häufiger trotz Fortbestehen eines Stillstandes ein Transport durchgeführt wurde, obwohl dieses Verfahren nicht als Standardverfahren angesehen werden kann.

Abb. 1Reanimationen im Notarztdienst.

Abb. 2Eintreffzeiten

Abb. 3Primärer Reanimationserfolg in Abhängigkeit von den Eintreffzeiten.

Abb. 4Einsatzbeschreibung

Prof. Dr. med. P. Sefrin

Klinik für Anaesthesiologie der Universität Würzburg
Sektion für präklinische Notfallmedizin

Josef-Schneider-Straße 2

97080 Würzburg

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