Handchir Mikrochir Plast Chir 1999; 31(5): 291-302
DOI: 10.1055/s-1999-13525
Originalarbeit
Hippokrates Verlag Stuttgart

Behandlung der therapieresistenten Epicondylitis lateralis humeri durch Denervation. Zur Pathogenese

Nach einem Vortrag auf dem 38. Symposium der Deutschsprachigen Arbeitsgemeinschaft für Handchirurgie vom 8. bis 11. Oktober 1997 in Heidelberg Treatment of Therapy-Resistant Tennis Elbow by Denervation - Pathogenesis of Tennis ElbowA. Wilhelm
  • Aus der Chirurgischen Klinik (ehem. Chefarzt: Prof. Dr. A. Wilhelm), Klinikum Aschaffenburg, Lehrkrankenhaus der Universität Würzburg
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Publication History

29.12.1998

Publication Date:
31 December 1999 (online)

Zusammenfassung

Fragestellung und Ziel: Die Pathogenese der Epicondylitis lateralis humeri wird immer noch unterschiedlich diskutiert, ebenso die Frage einer adäquaten chirurgischen Therapie. Da das Schmerzfeld der Epikondylitis wie auch die koinzidenten Schmerzareale und Sensibilitätsstörungen im Bereich der Hand ausschließlich durch Fasern des N. radialis versorgt werden, wurde von uns für die Behandlung therapieresistenter Fälle bereits 1962 ein Operationsverfahren zur kompletten Denervation der lateralen Epikondylenregion vorgeschlagen. Ziel und Zweck dieser Arbeit ist es, Möglichkeiten einer Verbesserung der Operationsmethode aufzuzeigen, die unter Umständen auch definitive Rückschlüsse in pathogenetischer Hinsicht erlauben.

Methode und Material: Im Zeitraum von 1970 bis 1994 sind bei 166 Patienten insgesamt 172 therapieresistente Epikondylitiden durch Denervation behandelt worden. Bei diesem Eingriff muß nur eine Nervenbahn exakt dargestellt und gezielt durchtrennt werden; ansonsten erfolgt die Schmerzausschaltung blind, und zwar durch einfaches Ablösen von bestimmten Muskeln, die nach Beendigung der Denervation wieder reinseriert werden, jedoch mit Ausnahme des M. supinator.

Das Originalverfahren kam dabei bis 1990 39mal zum Einsatz (Gruppe A). Danach wurde die Denervation in 46 Fällen mit einer isolierten Desinsertion des M. supinator durchgeführt, das heißt, ohne die früher übliche temporäre Inzision der Ursprungssehne des M. extensor carpi radialis brevis (Gruppe B). In einer weiteren Serie von 87 Operationen erfolgte schließlich die Überprüfung der Denervation in Kombination mit einer direkten Dekompression des R. profundus ni. radialis unter Resektion der Supinatorarkade (Gruppe C).

Die Beurteilung der postoperativen Ergebnisse erfolgte nach den Kriterien von Roles und Maudsley (1972).

Ergebnisse: Die Denervationen der Gruppe A konnten in 36 Fällen (92,3%) nach durchschnittlich 9,7 Jahren nachuntersucht werden und zeigten in 91,6% gute und sehr gute Ergebnisse. In Gruppe B konnten 42 Patienten (91,3%) nach durchschnittlich 4,9 Jahren überprüft werden; dabei fanden sich mit 90,5% praktisch die gleichen Ergebnisse wie in Gruppe A. Die Arbeitsunfähigkeit betrug 2,7 beziehungsweise 5,7 Wochen. Die Resultate der Denervationen konnten dagegen durch Kombination mit einer zusätzlichen direkten Dekompression des R. profundus ni. radialis nicht verbessert werden (Gruppe C); bei einer Nachuntersuchungsrate von 86% fanden sich nämlich nach 3,6 Jahren nur in 65,3% positive Ergebnisse bei einer nicht zu verantwortenden Arbeitsunfähigkeit von 11,7 Wochen.

Schlußfolgerungen: Die Untersuchungsergebnisse der Gruppe A und B beweisen, daß nunmehr auf die ursprünglich aus präparatorischen Gründen für erforderlich gehaltene temporäre Inzision des ECRB ohne Verschlechterung der Ergebnisse verzichtet werden kann, wenn man im Rahmen der Denervation die anteriore und laterale Ursprungsportion des M. supinator in Höhe des distalen Randes des Radiuskopfes isoliert durchtrennt, wodurch gleichzeitig eine indirekte Dekompression des tiefen Radialisastes erreicht wird. Die Ergebnisse dieses Eingriffes sowie intraoperative und klinische Untersuchungen sprechen vor allem aber auch dafür, daß es sich bei der Epicondylitis lateralis humeri um die Folge eines Kompressionssyndroms des N. radialis handelt, wobei die schmerzauslösenden Neuroirritationen an einer oder mehreren Lokalisationen auftreten und, wie aus der Literatur und eigenen Erfahrungen hervorgeht, in geeigneten Fällen auch durch eine operative Dekompression des in Frage kommenden Nervenabschnittes erfolgreich behandelt werden können.

Abstract

Purpose: The pathogenesis of tennis elbow is still debated, the question of proper surgical treatment äs well. Because the area of pain in tennis elbow and the concomitant Spots of pain together with sensibility disorders of the hand are supplied entirely by branches of the radial nerve, we suggested a surgical procedure for complete denervation äs early äs 1962. The main purpose of this paper is to examine the possibilities of improving the surgical technique, thereby shedding light on the pathogenesis of tennis elbow.

Method and Material: Between 1970 and 1994, altogether 166 patients with 172 cases of resistant tennis elbow were treated by denervation. This procedure calls for carefui exposure and the severing of only one tiny branch of the radial nerve. Denervation is otherwise accomplished by “blind” dissection by desinsertion of certain muscles, which are reinserted after denervation, however, with exception of the supinator muscle. Until 1990, the original procedure was performed 39 times (Group A). Afterwards, denervation involved only isolated des-insertion of the supinator muscie in 46 cases (Group B) without the temporary incision of the ECRB-origin, as performed previously. In a further series of 87 cases, an evaluation of denerva-tion in combination with a direct decompression of the deep brauch of the radial nerve was performed by resection of the supinator arcade (Group C). Postoperative results were evaluated and scored according to Roles and Maudsley (1972).

Results: The denervations of Group A were controlled after an average follow-up time of 9.7 years in 36 cases (92.3%), in 91.6% they demonstrated good and excellent results. In Group B, 42 patients (91.3%) were followed-up after an average time of 4.9 years; these cases showed about the same results as in Group A (90.5% good and excellent). The time off work was 2.7 and 5.7 weeks respectively. The results of denervation, however, were not improved by additional direct decompression of the posterior interosseous nerve (Group C); in a follow-up rate of 86% after 3.6 years only 65.3% showed good and excellent results together with an extremely long time off work of up to 11.7 weeks.

Conclusion:The results in Group A and B prove that the temporary desinsertion of the ECRB, previously regarded as necessary for reasons of dissecüon, can be discontinued, without worsemng of outcome, as long as the anterior and lateral portions of the supinator origin are incised directly, thereby resulting in indirect decompression of the posterior interosseous nerve simultaneously.

The results of this procedure emphasize the fact that tennis elbow is the result of a compression syndrome of the radial nerve and its branches, where the pain-triggering nerve irritations are found at one or several localizations that can be treated successfully - as shown in the literature and by our own findings - by direct decompression of this nerve segment.

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