Anästhesiol Intensivmed Notfallmed Schmerzther 1999; 34(7): 438-440
DOI: 10.1055/s-1999-10831
DIE KONTROVERSE
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Beatmungsfilter in Anästhesie und Intensivmedizin: Pro

J.  Rathgeber
  • Zentrum Anaesthesiologie, Rettungs- und Intensivmedizin Georg-August-Universität Göttingen
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Publication Date:
31 December 1999 (online)

Einleitung

Beatmungsfilter kommen sowohl bei der Inhalationsnarkose, als auch in der Beatmungstherapie zum Einsatz. Durch die Verwendung von Beatmungsfiltern sollen die Atemgase klimatisiert, aus hygienischer Sicht das Risiko einer Pneumonie bei Beatmung unter Narkose bzw. unter Beatmungstherapie gesenkt und eine Verlängerung der Wechselintervalle für Narkoseschläuche, Kreisteile und Beatmungsschläuche erzielt werden.

Der Einsatz von Beatmungsfiltern wird von den Herstellern vor allem aus hygienischer Sicht empfohlen. Demgegenüber stehen wissenschaftliche Untersuchungen, aus denen der Einsatz von Beatmungsfiltern auf Intensivstationen und bei Inhalationsnarkosen aus hygienischen Gründen nicht abgeleitet werden kann [1].

Beatmungsfilter bei Inhalationsnarkose

Die Kontaminationsrate nach Inhalationsnarkose beträgt für alle Teile des Narkosesystems und Narkoseschläuche 8 - 13,9 % [2] [3] [4] [5]. Am häufigsten werden koagulasenegative Staphylokokken, Micrococcus-Arten und Bacillus spp. isoliert. Keime, die eine Pneumonie verursachen können, werden nur vereinzelt nachweisbar und stimmten mit den Isolaten aus dem respiratorischen Sekret von Patienten nicht überein [3]. Es gibt somit keinen Hinweis, daß ohne Beatmungsfilter eine erhebliche Keimübertragung von kolonisierten Atemwegen des Patienten auf das Narkosesystem stattfindet. Da das konventionelle Prozedere den Austausch der patientennahen Anteile des Narkosesystems (Narkoseschläuche, Reservoirbeutel) nach jeder Inhalationsnarkose vorsieht, ist eine Gefährdung des Patienten auch ohne den Einsatz von Beatmungsfiltern praktisch ausgeschlossen. Tatsächlich konnte bisher in keiner Studie ein positiver Effekt von Beatmungsfiltern bei Inhalationsnarkosen auf die Pneumonierate nachgewiesen werden [6] [7]. Die Guidelines der Centers for Disease Control and Prevention, Atlanta, USA zur Verhütung der nosokomialen Pneumonie von 1994 sehen den routinemäßigen Einsatz von Beatmungsfiltern bei Inhalationsnarkosen bisher nicht vor [1]. Eine theoretische Einsatzmöglichkeit von Beatmungsfiltern bei Inhalationsnarkose ergibt sich dann, wenn eine Vereinfachung des Hygieneregimes und eine Reduktion der Wiederaufbereitung von Narkoseschläuchen und Reservoirbeuteln gewünscht wird. Werden Beatmungsfilter mit hoher Effizienz gegen Mikroorganismen am proximalen Ende des Y-Stücks eingesetzt, kann das Wechselintervall von Narkoseschläuchen auf 24 Stunden oder länger ausgedehnt werden [8]. Wissenschaftliche Untersuchungen zur Festlegung des optimalen Wechselintervalls von Narkoseschläuchen und Reservoirbeuteln bei Einsatz von Beatmungsfiltern (Bakterienfiltern) liegen zur Zeit aber noch nicht vor.

Beatmungsfilter in der Beatmungstherapie auf Intensivstationen

Ohne Einsatz von Beatmungsfiltern kommt es bei Beatmungstherapie zu einer raschen Zunahme der Kontaminationsrate des Beatmungssystems auf 80 % innerhalb der ersten 24 Stunden [9]. Die Ausbreitungsrichtung verläuft retrograd zum Luftstrom vom Y-Stück bis zum Kaskadenbefeuchter, die nach 3 Tagen zu 15,9 % mit Keimen besiedelt sind [10]. Die höchste Keimkonzentration findet sich mit 2 × 105/ml im Kondenswasser. Die Keime sind zu einem hohen Prozentsatz mit der respiratorischen Flora des Patienten identisch. Aus verschiedenen Untersuchungen weiß man jedoch mittlerweile, daß die wesentlichen Erregerreservoire für das Entstehen einer Pneumonie bei Beatmung der Nasen-/Rachenraum und die Gastrointestinalflora sind [1]. Die Kontamination von Narkose- und Beatmungsschläuchen spielt offensichtlich keine Rolle. Eine Gefährdung ist theoretisch lediglich durch Kondenswasseraspiration gegeben. Durch regelmäßiges Leeren der Beatmungsschläuche und Wasserfallen oder durch Verwendung von beheizten Beatmungsschläuchen kann die Gefahr einer Kondenswasseraspiration vermieden werden. Bisher gibt es in der Literatur keine ausreichenden Hinweise, daß Beatmungsfilter die Rate der Beatmungspneumonie senken können [11] [12]. Eine kürzlich veröffentlichte Studie, bei der sich ein positiver Effekt allerdings nur auf die Inzidenz der late-onset, nicht der early-onset Beatmungspneumonie zeigte, hatte problematische Ausschlußkriterien, die zu einem Selektionsphänomen in der Filtergruppe geführt haben können [13]. Zudem kann das Wechselintervall der Beatmungsschläuche auch ohne Einsatz von Beatmungsfiltern auf mindestens 7 Tage ausgedehnt werden [14]. Der routinemäßige Einsatz von Beatmungsfiltern bei Beatmungstherapie auf Intensivstationen wird in den Guidelines der Centers for Disease Control and Prevention, Atlanta, USA zur Verhütung der nosokomialen Pneumonie von 1994 nicht empfohlen [1].

Literatur

  • 1 Tablan O C, Anderson L J, Arden N H, Breiman R F, Butler J C, McNeil N M. and the Hospital Infection Control Practices Advisory Committee . Guideline for prevention of nosocomial pneumonia.  Infect. Control. Hosp. Epidemiol.. 1994;  15 588-627
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Dr. M. Lacour

Institut für Umweltmedizin und Krankenhaushygiene

Nationales Referenzzentrum (NRZ) für Krankenhaushygiene

Hugstetterstraße 55

79106 Freiburg

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