Tierarztl Prax Ausg G Grosstiere Nutztiere 2025; 53(03): 208
DOI: 10.1055/s-0045-1808619
Abstracts │ DVG
Posterpräsentationen
Groß - und Nutztiere

Hypophyse unter Druck: Laktation als Folge eines Hirntumors beim Rind

T Conrad
1   Institut für Tierpathologie, Freie Universität Berlin
,
F Bartenschlager
1   Institut für Tierpathologie, Freie Universität Berlin
,
C Fischer-Tenhagen
2   Bundesinstitut für Risikobewertung, Berlin
,
O Kershaw
1   Institut für Tierpathologie, Freie Universität Berlin
› Author Affiliations
 

Einleitung Die generell seltenen Tumoren des zentralen Nervensystems betreffen in der Regel ältere Tiere und vorrangig Hunde. Dominierend sind Gliatumore mit deutlicher Rassedisposition bei brachyzephalen Hunden. Berichte bei Rindern sind extrem selten. Klinisch stehen Folgen der Raumforderung mit Verhaltensänderungen oder Ausfallserscheinungen im Vordergrund, aber auch paraneoplastische Effekte können vorkommen.

Material und Methoden Eine 16-jährige Kuh zeigte über vier Wochen neurologische Symptome wie Bewegungsdrang, Stupor und motorische Ausfälle beim Trinken. Blindheit und erhöhte Körpertemperatur traten nicht auf. Eine Glukokortikoid-Therapie linderte die Symptome nur vorübergehend. Gleichzeitig entwickelte sich eine Laktation auf den beiden rechten Eutervierteln. Aufgrund der Verschlechterung des Allgemeinzustands wurde die Kuh euthanasiert und anschließend pathologisch untersucht.

Befunde Bei der Sektion zeigte sich eine 8,1 x 4,2 x 6,2 cm große, gelatinöse, graurote Umfangsvermehrung mit zentraler Blutung rostromedian in den Frontallappen mit massiver Kompression und Verdrängung des umliegenden Nervengewebes. Das Drüsengewebe der rechten Euterviertel war angebildet und im Anschnitt floss milchiges Sekret ab. Mikroskopisch zeigte sich die Umfangsvermehrung als Gliazelltumor mit Dominanz säulenartig angeordneten Zellen mit honigwabenartiger Struktur („honeycombing“) und nur sporadischer mitotischer Aktivität, morphologisch vereinbar mit einem Oligodendrogliom Grad II. Das Drüsengewebe des Euters war sekretionsaktiviert.

Schlussfolgerungen Die neurologischen Symptome der Kuh korrelieren mit der Raumforderung im Gehirn. Die Laktation entspricht einem paraneoplastischem „Stalk-Effekt“: der Transport von Dopamin vom Hypothalamus zur Hypophyse wird durch mechanischen Druck auf den Hypophysenstiel behindert, in diesem Fall ausgelöst durch das Oligodendrogliom. Die hemmende Wirkung von Dopamin auf die Prolaktinsekretion entfällt und es kommt zur Hyperprolaktinämie mit folgender Galaktorrhoe.

Dieser Fall belegt den diagnostischen Wert, den paraneoplastische Effekte auch und gerade bei seltenen, „nicht offensichtlichen“ Tumoren haben können.



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Article published online:
13 June 2025

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