Diabetologie und Stoffwechsel 2025; 20(S 01): S60
DOI: 10.1055/s-0045-1807472
Abstracts | DDG 2025
Poster
Posterwalk 7: Psychosoziales & Komplikationen

Schuldgefühle als zentraler Auslöser von diabetesbezogenen Belastungen im Alltag von Menschen mit Typ-1- und Typ-2-Diabetes: Analyse eines temporalen, prospektiven Netzwerks

Authors

  • D Ehrmann

    1   Forschungsinstitut der Diabetes-Akademie Bad Mergentheim (FIDAM), Forschung, Bad Mergentheim, Germany
  • N Hermanns

    1   Forschungsinstitut der Diabetes-Akademie Bad Mergentheim (FIDAM), Forschung, Bad Mergentheim, Germany
  • A Schmitt

    1   Forschungsinstitut der Diabetes-Akademie Bad Mergentheim (FIDAM), Forschung, Bad Mergentheim, Germany
  • L Klinker

    1   Forschungsinstitut der Diabetes-Akademie Bad Mergentheim (FIDAM), Forschung, Bad Mergentheim, Germany
  • T Haak

    1   Forschungsinstitut der Diabetes-Akademie Bad Mergentheim (FIDAM), Forschung, Bad Mergentheim, Germany
  • B Kulzer

    1   Forschungsinstitut der Diabetes-Akademie Bad Mergentheim (FIDAM), Forschung, Bad Mergentheim, Germany
 

Fragestellung Erhöhter Diabetes Distress (diabetesbezogene Belastungen) ist eines der häufigsten psychosozialen Probleme bei Menschen mit Typ-1- und Typ-2-Diabetes. Wenig ist bekannt über auslösende Faktoren von Diabetes Distress im Alltag und welche konkreten Belastungsquellen dabei eine zentrale Rolle spielen. Mit Hilfe einer Netzwerkanalyse sollte untersucht werden, welche konkreten Belastungsquellen wiederum andere Distress-Symptome auslösen können.

Methodik Über 17 Tage wurden neun spezifische Diabetes Distress assoziierte Symptome täglich mittels Ecological Momentary Assessment erfasst: (1) Schuldgefühle, den Diabetes zu vernachlässigen (2) Gefühle der Einschränkung (3) Gefühle der Überforderung (4) Gefühl alleingelassen zu sein (5) Diabetes als kraftraubend (6) Belastungen durch Hypos (7) Belastungen durch Hyperglykämien (8) Belastungen durch Schwankungen (9) Belastungen durch Glukosealarme. Mittels multilevel Vector Autoregression wurde ein temporales Netzwerk der 9 Belastungs-Aspekte berechnet, welches analysiert, inwiefern ein Symptom am Vortag die jeweils anderen Aspekte am darauffolgenden Tag vorhersagt, kontrolliert für jeweils alle anderen Symptome Für jedes Symptom wurde ein Maß berechnet, inwiefern dieses Symptom alle anderen diabetes-Distress assoziierten Symptome vorhersagt (outStrength: Summe aller ausgehenden Koeffizienten); somit andere Belastungen auslösen/verstärken kann. Zudem wurde für jedes Symptom berechnet, wie stark dieses Symptom von allen anderen vorhergesagt wird (inStrength: Summe aller eingehenden Koeffizienten); also von anderen Aspekten ausgelöst/verstärkt wird.

Ergebnisse Daten von 274 Menschen mit Diabetes konnten ausgewertet werden (55% Typ-1-Diabetes, 100% CGM). Die größte Vorhersagekraft (outStrength) hatte „Schuldgefühle, den Diabetes zu vernachlässigen“ (0,34), gefolgt von „Belastungen durch Hyperglykämien“ (0,24). Die größte inStrength hatte „Diabetes als kraftraubend“ (0,24), gefolgt von „Schuldgefühle“ (0,22). Mehr Schuldgefühle an Tag „t“ sagten signifikant höhere Belastungen durch Hyperglykämien (β=0.05, p=0.02), Gefühle der Überforderung (β=0.07, p=0.001), Gefühle alleingelassen zu sein (β=0.06, p=0.006) und Diabetes als kraftraubend (β=0.06, p=0.011) am darauffolgenden Tag („t+1“) vorher. Umgekehrt sagten größere Belastungen durch Hypos an Tag „t“ signifikant mehr Schuldgefühle am Folgetag („t+1“) vorher (β=0.04, p=0.04).

Schlussfolgerung Schuldgefühle, den Diabetes zu vernachlässigen, nahmen eine zentrale Bedeutung innerhalb eines Netzwerks von diabetesbezogenen Belastungen ein, da sie eine Kaskade weitere Belastungen an darauffolgenden Tagen auslösen können. Umgekehrt ist das Gefühl, dass Diabetes kraftraubend ist, besonders empfänglich für Belastungen durch andere Aspekte. Das temporale Netzwerk lässt Rückschlüsse auf auslösende Aspekte von Belastungen zu und zeigt, dass Schuldgefühle ein zentraler Ausgangspunkt für Interventionen zur Reduktion von Diabetes Distress sein könnten.



Publication History

Article published online:
28 May 2025

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