Gesundheitswesen 2025; 87(S 01): S42-S43
DOI: 10.1055/s-0045-1801976
Abstracts │ BVÖGD, BZÖG, DGÖG, LGL
01.04.2025
Strukturen und Prozesse
11:30 – 13:00

Aufbau und Etablierung wissenschaftlichen Arbeitens am Gesundheitsamt Rhein-Neckar-Kreis und Heidelberg

N J Knab
1   Gesundheitsamt Rhein-Neckar-Kreis und Heidelberg, Heidelberg
,
M Borchert
1   Gesundheitsamt Rhein-Neckar-Kreis und Heidelberg, Heidelberg
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Hintergrund: Um Forschung und Generierung von Evidenz im ÖGD zu etablieren, konnten in manchen Städten Brückenprofessuren eingerichtet oder entsprechende Zentren an der Universität aufgebaut werden. Wie aber kann ein Gesundheitsamt, das keinen Zugang zu solchen Strukturen hat, mit begrenzten Mitteln eigene wissenschaftliche Arbeit und Forschung vorantreiben?

Am Gesundheitsamt Rhein-Neckar-Kreis, das auch für die Stadt Heidelberg zuständig ist, ging aus der Covid-19 Pandemie eine Initiative hervor, die umfassend erhobenen Daten wissenschaftlich auszuwerten und zu nutzen. Dies führte zur Einrichtung eines neuen Sachgebietes „Epidemiologie und Infektionssurveillance“, um die Auswertung vorhandener Daten und die Generierung wissenschaftlicher Evidenz im ÖGD auch darüber hinaus zu etablieren. Neben der statistischen Darstellung und Auswertung von routinemäßig erhobenen Daten sollen neue Fragestellungen entwickelt, bestehende Netzwerke gestärkt und neue Kooperationen mit Universitäten, weiteren Hochschulen und anderen Gesundheitsämtern aufgebaut werden.

Umsetzung: Zunächst gingen mehrere Studien aus der Auswertung der Covid-19 Daten hervor. Zusätzlich wurden Interventionsprojekte der Kommunalen Gesundheitskonferenz als Studie konzipiert und wissenschaftlich begleitet. Mit der Zeit entstanden aus den verschiedensten Sachgebieten des Gesundheitsamts weitere Fragestellungen und Projekte zur Auswertung von Routine-Daten. Die Projektleitung verbleibt dabei bei den jeweiligen Sachgebieten des Gesundheitsamts, denen das neue Sachgebiet „Epidemiologie und Infektionssurveillance“ mit wissenschaftlicher Beratung und Unterstützung bei der Entwicklung und Umsetzung der Projekte zur Seite steht.

Um Kooperationen mit der Universität und der Pädagogischen Hochschule Heidelberg auszubauen wird ein jährliches Austauschtreffen veranstaltet, um über mögliche Schnittstellen und gemeinsame Interessen zu sprechen. Inzwischen wurden mehrere Projekte im Rahmen dieser Heidelberger Initiative erarbeitet. Interesse an einer Zusammenarbeit mit dem Gesundheitsamt kam dabei sowohl von thematisch naheliegenden Fachbereichen, wie dem Heidelberg Institute of Global Health und der Abteilung für Infektions- und Tropenmedizin, aber auch vom Institut für Ethik und Geschichte der Medizin, dem Institut für Sportwissenschaften und dem Institut für Bildungswissenschaften.

Daneben wurden Kooperationen mit anderen Gesundheitsämtern eingegangen, in deren Rahmen durch die Netzwerke ÖGD-FORTE und forGe370+ nun gute Möglichkeiten zu Kooperationsvorhaben bestehen, um sich auch über das eigene Gesundheitsamt hinaus an Forschungsprojekten zu beteiligen.

Zur Förderung der wissenschaftlichen Kompetenz der Mitarbeitenden des Gesundheitsamts und um Interesse zu wecken, die eigenen Daten auszuwerten, wurde ein „Science-Club“ initiiert, der durch einen Journal-Club, Lernmodule und Praxismodule grundlegende Kenntnisse und Herangehensweisen zur Aufarbeitung von Daten, wissenschaftlichem Arbeiten und der Entwicklung eines Forschungsprojekts vermitteln soll.

Ein weiteres Ziel ist es, neben Famulanten und Studierenden im Praktischen Jahr vermehrt auch wissenschaftliche Abschlussarbeiten zu betreuen. Dazu wurde Kontakt mit Master- und Promotionsprogrammen der Universität und Pädagogischen Hochschule aufgenommen, wo Kontakt zu interessierten Studierenden entsteht. Die Resonanz entwickelt sich positiv und es liegen bereits mehrere Anfragen für Promotionen und Masterarbeiten aus unterschiedlichen Fachgebieten vor.

Ausblick: Trotz personeller und finanzieller Grenzen ist es durchaus möglich, wissenschaftliches Arbeiten am Gesundheitsamt zu etablieren und bereits existierende Daten und Projekte wissenschaftlich auszuwerten. Nach kurzer Zeit entstanden weit mehr Projektideen, als mit eigenen Mitteln bearbeitet werden können. Momentan sind wir dabei, unsere Kontakte mit den Hochschulen zu einer permanenten Austauschplattform auszubauen, wo diese Projekte in Kooperationen bearbeitet werden können, und das ÖGD-Forte Netzwerk Süd mit den Universitäten zu vernetzen.



Publication History

Article published online:
11 March 2025

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