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DOI: 10.1055/s-0044-1794384
Perspektiven zum Sterbeverfügungsgesetz: Eine Umfrage unter Medizinstudierenen in Österreich
Hintergrund Am 1. Januar 2022 trat in Österreich das Sterbeverfügungsgesetz (StVfG) in Kraft. Die Einstellung von Human- und Zahnmedizinstudierenden gegenüber dem assistierten Suizid ist bislang wenig erforscht. Um tiefere Einblicke in deren Ansichten zu gewinnen, wurden Studierende der Medizinischen Universität befragt, die als zukünftige Opinionleader im
Gesundheitswesen eine Schlüsselrolle spielen. Diese Erkenntnisse sind für die erfolgreiche Implementierung und Weiterentwicklung der Sterbeverfügung im öffentlichen Gesundheitswesen von Bedeutung.
Methode Es wurde ein Fragebogen entwickelt, der sowohl quantitative als auch qualitative Fragen zum assistierten Suizid enthielt: „Was sind Ihrer Meinung nach Gründe, die für Sterbehilfe sprechen?“, „Was sind Ihrer Meinung nach Gründe, die gegen Sterbehilfe sprechen?“ sowie „Gibt es noch etwas, dass Sie uns gerne mitteilen möchten?“. Der Fragebogen wurde im Mai bis Juni 2023 über ein internes Online-Tool an alle Human- und Zahnmedizinstudierenden der Medizinischen Universität Wien verschickt. Insgesamt 337 Studierende nahmen an der Umfrage teil, was einer Rücklaufquote von 6,1% entspricht.
Ergebnisse Von den 337 Teilnehmenden nannten 287 mindestens einen Grund, der für den assistierten Suizid spricht, und 272 Gründe, die dagegen sprechen. Fünf Personen lehnten diesen kategorisch ab, während 25 die Sterbehilfe befürworteten. Die häufigsten ProArgumente waren persönliche Faktoren wie Autonomie, Leidenslinderung und würdevolles Sterben. Gegenargumente bezogen sich hauptsächlich auf gesellschaftliche Bedenken, etwa Missbrauchsrisiken (z.B. Erbschleicherei oder Mord), Unsicherheiten bei der Auslegung des Gesetzes sowie die Gefahr, dass assistierter Suizid aus finanziellen Erwägungen (z. B. Einsparungen im Gesundheitssystem) gefördert werden könnte. Weniger stark betont wurden Gründe, die das unmittelbare soziale Umfeld betreffen, wie die Entlastung der Familie als ein befürwortendes Argument. Dagegen wurde der psychische Druck auf das medizinische Personal als Gegenargument angeführt.
Schlussfolgerung Angesichts der umfassenden rechtlichen und ethischen Implikationen des Sterbeverfügungsgesetzes ist dessen Integration in den medizinischen Lehrplan von großer Bedeutung. Die bestehenden Unklarheiten und Lücken im Gesetz erfordern eine umfassende Überarbeitung, um sowohl die praktische Umsetzung als auch die ethischen Rahmenbedingungen zu präzisieren. Dabei ist eine vertiefende Auseinandersetzung mit ethischen Fragestellungen, wie dem „Slippery Slope“-Argument, sowie die Rolle der Palliativversorgung notwendig, um Missbrauch zu verhindern und die ärztliche Verantwortung zu wahren.
Hauptaussage Die Integration des Sterbeverfügungsgesetzes in das medizinische Curriculum ist erforderlich, um rechtliche und ethische Fragen zu klären. Das Gesetz muss überarbeitet werden, um bestehende Unklarheiten zu beseitigen.
Publikationsverlauf
Artikel online veröffentlicht:
05. Dezember 2024
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