Diabetologie und Stoffwechsel 2024; 19(S 01): S25
DOI: 10.1055/s-0044-1785280
Abstracts | DDG 2024
Poster
Posterwalk 1 – Prädiabetes und Typ-2-Diabetes (Klinik)

SGLT2-Inhibitoren oder GLP-1-Rezeptor-Agonisten? Entwicklung eines Modells für personalisierte Behandlungsentscheidungen bei Menschen mit Typ 2 Diabetes Mellitus: Eine populationsbasierte, retrospektive Kohortenstudie

Tim Mori
1   Deutsches Diabetes-Zentrum (DDZ), Leibniz-Zentrum für Diabetes-Forschung an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Institut für Biometrie und Epidemiologie, Düsseldorf, Germany
,
Julia Grimsmann
2   Universität Ulm, Institut für Epidemiologie und Medizinische Biometrie, CAQM, Ulm, Germany
,
Stefanie Lanzinger
2   Universität Ulm, Institut für Epidemiologie und Medizinische Biometrie, CAQM, Ulm, Germany
,
Michael Naudorf
3   Diabeteszentrum Lindlar, Zert. Diabetologikum DDG, Lindlar, Germany
,
Julia K. Mader
4   Medizinische Universität Graz, Abteilung Endokrinologie & Diabetologie, Klinik für Innere Medizin, Graz, Austria
,
Jochen Seufert
5   Universitätsklinikum Freiburg, Klinik für Innere Medizin II, Abteilung Endokrinologie und Diabetologie, Medizinische Fakultät, Freiburg, Germany
,
Reinhard W. Holl
2   Universität Ulm, Institut für Epidemiologie und Medizinische Biometrie, CAQM, Ulm, Germany
,
Oliver Kuß
1   Deutsches Diabetes-Zentrum (DDZ), Leibniz-Zentrum für Diabetes-Forschung an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Institut für Biometrie und Epidemiologie, Düsseldorf, Germany
› Author Affiliations
 

Fragestellung: Die Nationale Versorgungsleitlinie zum Typ-2-Diabetes (T2D) empfiehlt bei manifesten kardiovaskulären Erkrankungen oder einem hohen kardiovaskulären Risiko eine Therapie mit Metformin plus SGLT2-Inhibitoren (SGLT2i) oder GLP-1-Rezeptor-Agonisten (GLP-1-RA). Mit dem Ziel, datenbasiert personalisierte Behandlungsentscheidungen treffen zu können, untersuchten wir folgende Fragestellung: Inwiefern können routinemäßig erfasste klinische Daten von Menschen mit T2D für eine personalisierte Behandlungsentscheidung zwischen SGLT2i oder GLP-1-RA genutzt werden, um die kardiovaskuläre Prävention zu optimieren?

Methodik: Anhand von Daten aus der klinischen Routineversorgung in Deutschland und Österreich (Diabetes-Patienten-Verlaufsdokumentation; DPV) wurde retrospektiv das Auftreten von nicht-tödlichen atherosklerotisch kardiovaskulären Erkrankungen (ASCVD: Myokardinfarkt, stabile oder instabile Angina pectoris, koronare Revaskularisierung, Schlaganfall, transitorische ischämische Attacke, periphere arterielle Verschlusskrankheit) zwischen Erstnutzern von SGLT2i (N=1566) und GLP-1-RA (N=823) verglichen. Zu Behandlungsbeginn mit SGLT2i bzw. GLP-1-RA wurden folgende Merkmale erfasst: Alter, Geschlecht, Body-Mass-Index (BMI), geschätzte glomeruläre Filtrationsrate (eGFR), HbA1c, Diabetesdauer, und atherosklerotisch kardiovaskuläre Vorerkrankungen. Mittels eines neuen statistischen Verfahrens, Dynamic Weighted survival modelling, wurde anhand dieser Merkmale ein Modell für personalisierte Behandlungsentscheidungen entwickelt. Die daraus abgeleiteten optimalen Behandlungsentscheidungen für unsere Kohorte wurden anschließend mit den vorliegenden Behandlungsdaten aus der klinischen Praxis verglichen.

Ergebnisse: Die mediane (IQR) Beobachtungsdauer ab Behandlungsbeginn betrug 9.5 (3 – 24.4) Monate. Basierend auf unserem Modell schienen eGFR, BMI und atherosklerotisch kardiovaskuläre Vorerkrankungen zu Behandlungsbeginn am besten vorherzusagen, welches Medikament besser vor nicht-tödlichen ASCVD schützt. Die daraus resultierende personalisierte Behandlungsregel ergab, dass für 43% der Menschen mit T2D in unserer Kohorte GLP-1-RA und für 57% SGLT2i die optimale Behandlung gewesen wäre. Personen, für die GLP-1-RA die optimale Behandlung waren, hatten im Vergleich zu Personen, für die SGLT2i die optimale Behandlung waren, einen höheren BMI (37 vs 31 kg/m2) eine niedrigere eGFR (71 vs 92 mL/min), und weniger atherosklerotisch kardiovaskuläre Vorerkrankungen (10 vs 17%). Erstere wurden in der Praxis jedoch nur selten (38% der Fälle) tatsächlich mit GLP-1-RA behandelt, während eine Behandlung mit SGLT2i bei den Letzteren recht häufig war (69% der Fälle).

Schlussfolgerungen: Möglicherweise sollten mehr Menschen mit T2D – nämlich solche mit höherem BMI, niedrigerer eGFR und ohne atherosklerotisch kardiovaskuläre Vorerkrankungen – mit GLP-1-RA statt SGLT2i behandelt werden, als dies zur Zeit der Fall ist, um nicht-tödlichen ASCVD vorzubeugen.



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Article published online:
18 April 2024

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