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DOI: 10.1055/s-0044-1781863
Erfahrungsbericht zur Umsetzung der ‘Einrichtungsbezogenen Impfpflicht’ nach § 20a Infektionsschutzgesetz in Hamburg-Eimsbüttel
Hintergrund: Die sogenannten Einrichtungsbezogene COVID-19 Impfpflicht (EBI) galt bundesweit zwischen dem 16.03.2022 und dem 31.12.2022 für Personen, die im medizinischen und pflegerischen Sektor tätig waren und wurde kontrovers diskutiert sowie in unterschiedlichem Maße in den Bundesländern und deren Kommunen umgesetzt. In Hamburg wurde gegenüber Personen, die nach entsprechender Aufforderung keinen gültigen Impfnachweis vorlegen konnten, im Rahmen einer Ermessensentscheidung des zuständigen Gesundheitsamtes (GA) ein Betretungsverbot ausgesprochen oder die weitere Tätigkeit unter Auflagen gestattet, sofern durch ein Betretungsverbot ein Versorgungsengpass drohte. Die Präsentation stellt am Beispiel der Umsetzung der EBI im Gesundheitsamt Hamburg-Eimsbüttel die behördlichen, medizinischen und ethischen Herausforderungen und den Umgang mit diesen dar.
Methoden: Eine Beschreibung der Umsetzung der EBI sowie den damit verbundenen Herausforderungen erfolgt anhand von Vorgängen aus der Software-Anwendung ‘Hamburger Pandemiemanager’ (HPM), vorliegenden Konzeptpapieren, Arbeitsleitfäden, Protokollen von Fallkonferenzen und Papieren, die als Bewertungskriterien zur Ermessensentscheidung der Gesundheitsämter dienten sowie aktueller Literatur. Darüber hinaus fließen die Erfahrungen der im Prozess beteiligten Autor*innen ein.
Ergebnisse: Eine bereichsübergreifende multiprofessionelle Arbeitsgruppe der Sozialbehörde Hamburg (SB) entwarf unter Beteiligung eines Bezirksvertreters einen Prozess für die Bearbeitung der Meldungen, der auf konsensualer Basis durch die bezirklichen GAs umgesetzt wurde. Große Teile des Prozesses konnten automatisiert und digitalisiert werden.
Eine während der Pandemie eingerichtete temporäre Einheit der SB zur Unterstützung der GAs übernahm die ersten Schritte der Bearbeitung sämtlicher Meldungen. Ein Großteil der Fälle konnte zügig abgeschlossen werden, da nach Aufforderung entweder Impfnachweise nachgereicht wurden, eine Beschäftigungsänderung erfolgt war oder es sich um Falschmeldungen handelte.
Meldungen aus dem Bezirk Eimsbüttel bei denen sich nach erster Prüfung der Unterlagen durch die Einheit der SB herausstellte, dass die Ermessensentscheidung weitreichende fachliche Expertise erforderte, wurden zur Bearbeitung an das GA Eimsbüttel weitergeleitet.
Ein zentrales Instrument waren hierbei bezirksinterne Fallkonferenzen, in denen nach Sichtung und Besprechung der Unterlagen und unter der Möglichkeit eines Vetos, Entscheidungen nach dem Mehrheitsprinzip getroffen wurden. Darüber hinaus wurden Fälle, die intern strittig waren, im Rahmen bezirksübergreifender Fallkonferenzen vorgestellt und diskutiert. Über diese Instrumente konnte eine möglichst weite Konsistenz in der Entscheidungsfindung erreicht werden.
Als besondere Herausforderungen im Umsetzungsprozess wurde unter anderem (1) die Kurzfristigkeit der Einführung und Wirkdauer des Gesetzes, (2) die sich ändernden Bedingungen durch Virus-Varianten und Änderungen relevanter Vorgaben sowie (3) ethische und moralische Bedenken und Konflikte der GA-Mitarbeitenden, die die Entscheidungen trafen, identifiziert.
Die Betrachtung der Umsetzung der EBI in Hamburg bietet keine abschließende Bewertung über Impfpflichten als politisches Werkzeug der Prävention. Die Benennung und Diskussion der Herausforderungen bieten aber eine Grundlage um diesen in ähnlichen Szenarien, die zukünftig auf die Politik und den Öffentlichen Gesundheitsdienst zukommen könnten, möglichst weitreichend vorbeugen zu können.
Publikationsverlauf
Artikel online veröffentlicht:
10. April 2024
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Georg Thieme Verlag
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