Rehabilitation (Stuttg) 2019; 58(03): 153-162
DOI: 10.1055/s-0044-101814
Originalarbeit
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Von der beruflichen Vollqualifizierungsmaßnahme zurück in ArbeitEine Langzeitanalyse individueller Verlaufskarrieren und ihrer biografischen und strukturellen Bedingungen

Return to Work from Vocational RetrainingA Long-Term Analysis of Individual Trajectories: Biografical and Structural Conditions of Success and Failure
Alexander Meschnig
1   Institut für Rehabilitationswissenschaften, Abteilung Rehabilitationssoziologie, Humboldt-Universität zu Berlin
,
Ernst von Kardorff
1   Institut für Rehabilitationswissenschaften, Abteilung Rehabilitationssoziologie, Humboldt-Universität zu Berlin
,
Sebastian Klaus
1   Institut für Rehabilitationswissenschaften, Abteilung Rehabilitationssoziologie, Humboldt-Universität zu Berlin
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Publication Date:
28 March 2018 (online)

Zusammenfassung

Hintergrund Die Studie untersucht den Wiedereinstieg in Arbeit (RTW) nach einer 2-jährigen beruflichen Rehabilitation und fokussiert dabei auf zentrale Bedingungen des Gelingens und auftretende Barrieren. Damit fügt sie sich in die aktuellen rehabilitationswissenschaftlichen Diskussionen zur Frage der Wirksamkeit und Nachhaltigkeit von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (LTA) und ihrer Gestaltung ein.

Ziele Im Kern ging es um die Rekonstruktion bislang wenig untersuchter biografischer Anpassungs- und Neuorientierungsprozesse beim Übergang auf einen neuen Arbeitsplatz nach einer aus gesundheitlichen Gründen gewährten beruflichen Umschulung. Darüber hinaus wurden fördernde und gefährdende Problemlagen und charakteristische Konstellationen im Rückkehr- und Stabilisierungsprozess und daraus abgeleitete zielgruppenspezifische Nachsorgebedarfe identifiziert.

Methode Die Studie folgte einem Mixed-Method-Design. Im quantitativen Teil wurden insgesamt 214 Teilnehmer mittels eines Fragebogens über 3 Zeitpunkte hinweg zu ihren beruflichen Verläufen, zu Veränderungen im Gesundheitsstatus und -erleben, zur sozialen Einbindung und zum Umgang mit ihrer Krankheit befragt. Im qualitativen Teil wurden 30 Fallstudien zu berufsbiografischen Verläufen und Wendepunkten mithilfe episodisch-narrativer Interviews erstellt.

Ergebnisse Insgesamt ist es 3 Vierteln der Teilnehmer nach der 2jährigen Umschulung im Zeitraum von 18 Monaten gelungen, in Arbeit zu kommen. Positive Einflussfaktoren für einen Return to Work (RTW) sind insbesondere eine hohe Identifikation mit dem neu erlernten Beruf, ein gelungener Umgang mit en gesundheitlichen Beeinträchtigungen und ihre Integration der gesundheitlichen Beeinträchtigungen in Beruf und Alltag, eine positive Gesundheitserwartung und die soziale Einbindung. Als besondere Risikokonstellationen zeigten sich fehlende Partnerschaft, nicht abgeschlossene Krankheitsbewältigung und negative Gesundheitserwartungen sowie schwere Erkrankungen und Rückfälle.

Abstract

Background and Aims The study aimed at the reconstruction of the trajectories of participants of a two-year vocational-retraining into new workplaces thereby identifying favourable and risky conditions of the return-to-work process. From a practical point of view the study identified special needs and necessities for after-care facilities.

Methods A Mixed-Method-Design was used. Quantitatively the follow-up-study included 214 persons who participated for three times on filling out a questionnaire over a period of eighteen months after the end of the vocational retraining. In the qualitative part of the study thirty persons consented to participate in a narrative-episodic interview on their vocational biography, their illness experiences at work and their way back into work. The study focused on the experiences of the participants from within, on their decision-making, coping, and rearrangement processes as well as on the experienced support from family members and rehabilitation professionals.

Results About 75% of the participants of the vocational retraining succeeded in getting a job within the range of 18 months after finishing the retraining. Indicators for successful Return to Work are a high identification with the new vocation, effective coping with the remaining health problems, and an accepted arrangement with the disabilities in the work place and in everyday-life, a positive anticipation of the health condition in the future, and last but not least a satisfying social inclusion. As specific risk constellations for Return to Work emerged a lack of partnership, unfinished mental coping with the illness, negative subjective health prognosis, and a more passive attitude to life.

18 Vgl. [39].


 
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