Zeitschrift für Palliativmedizin 2018; 19(02): 84-90
DOI: 10.1055/s-0044-101429
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Doppelkopf: Irmela Lübbe und Andreas Lübbe

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Publication Date:
26 February 2018 (online)

Irmela Lübbe

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Zur Person

1963 in Bad Berleburg geboren, in Höxter aufgewachsen. Nach dem Abitur Krankenpflegeausbildung in Paderborn, danach 2 Jahre Krankenschwester in der Psychiatrie. Diplomstudiengang Psychologie in Münster bis 1995, danach für 2 Jahre Psychologin in der Cecilien-Klinik Bad Lippspringe (Onkolog. Reha). 5 Jahre Tätigkeit in der Abteilung für Psychoonkologie im Klinikum Kreis Herford. Seit 2007 Privatpraxis mit dem Schwerpunkt Psychoonkologie und ambulante Palliativtherapie, d. h. Langzeitbetreuung onkolog. Pat. und Angehöriger bis hin zu Sterbebegleitungen im häuslichen Umfeld.

Wie kamen Sie in Ihr jetziges Tätigkeitsfeld?

Nach einer Krankenpflegeausbildung begann ich das Psychologiestudium mit Schwerpunkt Klinische Psychologie. Die Suche nach einer Stelle als Dipl.-Psychologin führte mich glücklicherweise in die Psychoonkologie in einer onkologischen Rehabilitationsklinik, in der ich auch meinen späteren Ehemann kennenlernte. In dieser Zeit trieb er die Eröffnung einer Palliativstation voran, in deren Prozess ich eingebunden war. Durch die sog. „Reha-Krise“ in den späten 90ern war ich gezwungen, einen Stellenwechsel vorzunehmen. Nach 1,5 Jahren Überbrückung in einer orthopädischen Reha-Klinik durfte ich in eine psychoonkologische Modellabteilung in einer Akutklinik wechseln – eine Traumstelle! Dort wurde mein wachsendes Interesse an Palliativmedizin von meiner Vorgesetzten sehr gefördert, ich absolvierte eine interdisziplinäre palliativmedizinische Ausbildung und begann meinerseits am dortigen Klinikum eine Palliativstation aufzubauen. Leider ist dieses Unterfangen am mangelnden Mut der Klinikleitung gescheitert. Nachdem ich Mutter geworden war und 3 Jahre ausgesetzt hatte, machte ich mich in einer Privatpraxis mit Psychoonkologie und ambulanter Palliativmedizin selbstständig – bis heute aus meiner Sicht die erfüllendste Tätigkeit, die ich mir vorstellen kann!

Was wäre für Sie die berufliche Alternative?

Immobilienmaklerin oder Reiseverkehrskauffrau! Das sind aber keine wirklichen Alternativen, da diese Berufe neben dem Attraktiven mit zu viel Frustration, Unzufriedenheit seitens der Kunden und Mühen verbunden sind – in meiner Tätigkeit empfinde ich – außer mit Krankenkassen – nie Ärger oder Mühen.

Wie beginnen Sie Ihren Tag?

Indem ich unseren Hund Lilly begrüße und intensiv ihre Wiedersehensfreude und ihren warmen Hundegeruch genieße – das ist die erste Achtsamkeitsübung am Tag für mich. Dann freue ich mich daran, wie besagte Lilly unseren Sohn (13) überschwänglich weckt, der seinerseits auf diese Weise einen beglückenden Start in den Tag hat. Das (fast) Beste am Morgen ist der erste Schluck Kaffee, ohne den gar nichts geht …

Leben bedeutet für mich …

ein Geschenk, das es zu füllen gilt. Dabei hadere ich oft mit den Pflichten und Notwendigkeiten des Alltags als Hausfrau und Mutter, ungeliebte Tätigkeiten, die frustran sind, weil sie keinen nachhaltigen Effekt haben. Dann muss ich mir immer wieder bewusst machen, dass auch das Leben ist.Viel wichtiger für mein Leben sind aber intensive Begegnungen mit Menschen, seien es geliebte Familienmitglieder, enge Freunde, überraschende Bekanntschaften oder sterbende Patienten. In diesem letzten Zusammenhang erlebe ich es oft wie ein Wunder, wie eine solche Erstbegegnung frei von allen „professionellen“ Regeln zu einem zutiefst vertrauensvollen, intensiven und inniglichen Beeinander wird. Solche Begegnungen kommen im Alltagsleben wegen der vielen sozialen Konventionen nicht vor, für die aber am Lebensende kein Platz und keine Zeit mehr ist.Erst durch den Kontakt zu buddhistischen Lehren habe ich wirklich begriffen (und versuche zu akzeptieren!), das Leiden und Sterben – auch von jungen Menschen und Kindern gar – untrennbar mit der menschlichen Existenz verbunden ist. Es gibt kein menschliches Leben ohne Leiden (aber auch keines ohne Glücksmomente)!Zu einem erfüllten Leben gehören für mich weiterhin vor allem Sonnenwärme, unbedingt das Meer sowie klassische Musik, insbesondere Bachkantaten, Oratorien und Requien.

Sterben bedeutet für mich …

Wäre ich für mich allein, hätte Sterben für mich überhaupt keinen Schrecken. Tod heißt für mich Übergang, zurück dahin, wo wir hergekommen sind.Ich hatte so viel Glück im Leben und bin so gesegnet, dass es zu jedem Zeitpunkt kommen könnte. Ich fände sicher sehr schade, dass es nicht länger währte, aber ich würde trotzdem sagen: „Ich hatte ein schönes und volles Leben!“Seit ich aber Mutter bin, habe ich oft Angst vor schwerer Krankheit oder Unfall, weil der Gedanke, unseren Sohn zurücklassen zu müssen, sehr schlimm für mich ist. Daher bin ich auch in der Betreuung von Familien, in denen eine Mutter mit jungen Kindern stirbt, nicht abgegrenzt genug und ich versuche, sie an eine Kollegin/einen Kollegenn weiterzugeben oder mir Unterstützung zu holen.

Welches Ziel möchten Sie unbedingt noch erreichen?

Unseren Sohn zu einem selbstständigen und mit sich und seinem Tun zufriedenen Menschen aufwachsen zu lassen. Möge er die Fähigkeit haben, liebevoll mit sich und anderen umzugehen.Dann möchte ich unbedingt mit meinem Mann in Ruhe und Muße reisen (wichtiges Ziel: Flugangst überwinden!), Verschiedenstes sehen, hören und lesen, mich möglichst viel in warmen Gefilden aufhalten und trotzdem mein ehrenamtliches Engagement, z. B. im hospizlichen Bereich, erheblich ausweiten.

Meine bisher wichtigste Lernerfahrung im Leben ist …,

dass ich Aufgaben und Auferlegtes bewältigen kann, von dem ich vorher dachte, ich könnte es nicht.… dass die wohl schwierigste Lebensphase die späte mittlere ist, indem die Kinder noch viel Unterstützung brauchen, gleichzeitig die eigenen Eltern und die des Partners intensive Hilfe benötigen bzw. versterben (mit den damit verbundenen emotionalen Auswirkungen und rein praktischen Aufgaben), man selbst noch im Berufsleben steht und die Wechseljahre unbekannte Veränderungen bringen – viele verschiedene Rollen, Anforderungen und Erwartungen, die es aus- und zu erfüllen gilt.

Was würden Sie gern noch lernen?

Gelassenheit! Und Akzeptanz! Und weniger be- und verurteilen! Und noch mehr danach zu handeln, was ich für richtig halte und mich weniger an vermeintlichen Erwartungen von außen zu orientieren.

Woraus schöpfen Sie Kraft für Ihre Arbeit?

Aus der Arbeit! Und durch Achtsamkeit, Meditation, private Begegnungen mit interessanten und lieben Menschen, Musik (s. o.!) und der Natur.

Mit wem aus der Welt- oder Medizingeschichte würden Sie gern einmal einen Abend verbringen?

Ganz klar mit dem Dalai Lama! Daneben fallen mir aber auch ganz schnell Jesus, Claudio Abbado oder Barack Obama ein.

Wenn ich einen Tag unsichtbar wäre, würde ich …

… möglicherweise hochgradig kriminell, um einige für unsere Welt wirklich gefährliche Männer zu stoppen.

Wie können Sie Andreas Lübbe beschreiben?

Als sehr fleißig und als jemanden, der gerne Verantwortung übernimmt und diese sehr ernst nimmt. Er hat ausgeprägte Problemlösefähigkeiten (was ich besonders an ihm schätze!), d. h. so schnell kann ihn – sowohl beruflich wie privat – nichts aus der Bahn werfen und er findet rasch einen gehbaren Weg. Außerdem ist er grundoptimistisch und im Allgemeinen (und zwar auch schon morgens um 5:30 Uhr!) wohlgestimmt und tatendurstig (diese Eigenschaften schätze ich mindestens genauso an ihm!). Er vereint in sich sowohl dieses kraftvolle „Machen“, „Vorwärtskommen“, „Bewegen und „Verändern-Wollen“ als auch das Sanfte, große Empathie und Wärme für Patienten, Angehörige und Mitarbeiter.Er kann in Manchem sehr großzügig sein und dann wieder überaus bescheiden und anspruchslos (z. B. hinsichtlich meiner nicht vorhandenen Kochkünste …).Er ist immer bestrebt, besser zu werden und zwar in ganz verschiedenen Belangen und Gebieten. Außerdem ist er ein Nachrichten- und Zeitungsjunkie!

Wie beenden Sie Ihren Tag?

Mit dem heute-journal, bei dem mein Mann und ich uns ein Glas Rotwein teilen und einem Buch, bei dem ich in der Regel max. noch 4 Seiten schaffe …

Gibt es etwas, das Sie gern gefragt worden wären, aber noch nie gefragt worden sind?

Ich würde überhaupt gerne öfter mal etwas gefragt! Ich mache z. B. immer wieder die Erfahrung, dass bei Treffen oder Telefonaten mit Kollegen, Bekannten und sog. „Freunden“ entweder der- oder diejenige nur von sich erzählt oder ich selbst interessiert Fragen stelle. Es fehlt dann der Austausch, für den wohl auf der anderen Seite wenig Interesse besteht. Das finde ich schade und enttäuschend!

Es bleibt noch zu erwähnen, dass die beiden Texte völlig unabhängig voneinander entstanden sind!