Laryngorhinootologie 2018; 97(08): 558-559
DOI: 10.1055/s-0044-100258
Der interessante Fall
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Seltene Differenzialdiagnose therapierefraktärer cervikaler Lymphadenitis und Fieber bei einem Kind

Therapy-refractory cervical lymph node swelling and fever-A rare differential diagnosis in childhood
Jovanna Thielker
,
Michael Schönleben
,
Stefan Hagel
,
Hans-Joachim Mentzel
,
Orlando Guntinas-Lichius
,
Thomas Bitter
Further Information

Publication History

Publication Date:
23 January 2018 (online)

Falldarstellung

Die Vorstellung des 1,5 Jahre alten Mädchens erfolgte erstmals in der HNO-Klinik aufgrund eines sonografisch nachgewiesenen Lymphknotenabszesses cervikal links. Zu diesem Zeitpunkt bestanden seit einem Monat therapierefraktäres Fieber (39–41°C) und eine progrediente Lymphadenitis colli links mehr als rechts. Darüber hinaus bestanden eine Minderung des Allgemeinzustandes mit Trinkverweigerung, eine akute Pharyngitis sowie Lacklippen und Schuppung der Finger. Das Kind war bereits vielfach antibiotisch behandelt worden (Penicillin p. o., Erythromycin p. o., Cefuroxim i. v., Ampicillin-Sulbactam i. v. und Azithromycin i. v.) und hatte bei V. a. inkomplettes Kawasaki-Syndrom in einer auswärtigen Klinik ASS und Immunglobuline erhalten. Klinisch zeigte sich eine massive, druckdolente Lymphknotenschwellung cervikal links bis retroaurikulär reichend. In der Sonografie ließ sich ein Lymphknotenpaket cervikal links von Regio I bis Regio IV nachweisen, welches sich im B-Bild echoarm mit dorsaler Schallverstärkung, inhomogener Binnenstruktur und unscharf begrenzt darstellte ([ Abb. 1 ]). Paraklinisch bestand eine Sturzsenkung bis 134 mm/h [< 30 mm/h], CRP-Erhöhung von 113 mg/l [< 7,5 mg/l], Anämie mit Hämoglobin-Werten von 4,4 mmol/l [6,3–7,9 mmol/l], Thrombozytose bis 640 Gpt/l [214–459 Gpt/l] und Leukozytose bis 19,9 Gpt/l [6,5–13,0 Gpt/l]. Mittels Urindiagnostik, Stuhlabstrichen sowie Röntgen-Thorax und Blutkultur konnten typische Infektfoci ausgeschlossen werden. Serologische Untersuchungen ergaben keinen wegweisenden Befund. Sonografisch wurde eine Hepatosplenomegalie festgestellt. Die durchgeführte Echokardiografie wies einen Perikarderguss und dilatierte Koronarien nach. Es erfolgten die Abszessspaltung und Wunddrainage sowie mehrfache Wundtoiletten in Narkose. Im intraoperativen Abstrich konnte Francisella tularensis mittels PCR nachgewiesen werden, sodass die Diagnose Tularämie gestellt wurde. Über das Labor wurde dies an das Robert-Koch-Institut gemeldet. Die ausführliche Anamnese hatte ergeben, dass das Kind in der Freizeit Kontakt zu Nagetieren der Großeltern, Katzen und Enten gehabt hatte. Histopathologisch zeigte sich eine epitheloidzellige granulomatöse, nicht-nekrotisierende Lymphadenopathie. Eine Mycobacteriose konnte ausgeschlossen werden. Die Antibiose wurde in Absprache mit den Kollegen der Infektiologie und Pädiatrie sowie dem Robert-Koch-Institut auf Ciprofloxacin p. o. umgestellt. Hierunter kam es zu einer Ausheilung des Befundes, sodass die Patientin nach insgesamt 28 Tagen aus dem Krankenhaus entlassen werden konnte. Eine Woche später erfolgte die Wiederaufnahme bei erneut multiplen eingeschmolzenen Lymphknoten cervikal links mit dem hochgradigen V. a. Rezidiv der zuvor diagnostizierten Tularämie. MR-tomografisch zeigte sich in der T1-Wichtung eine teils hyper-, teils hypointense Raumforderung von 8 × 3 × 6 cm lateral der Mandibula entlang der Hals- Gefäß- Scheide nach kaudal reichend, die Gl. parotis mit einbeziehend, mit Nachweis von liquiden Anteilen und inhomogenem Kontrastmittel-Enhancement ([ Abb. 2 ]). Nach Abszessspaltung und mehrfachen Spülungen erfolgte nach Rücksprache mit den pädiatrischen Kollegen die Antibiose mit Gentamycin i. v. (unter Kontrolle des Medikamentenspiegels und Kontrolle der OAE) und Ciprofloxacin i. v.. In der durchgeführten PCR des Abstrichmaterials ließ sich Francisella tularensis spp. holartica nachweisen. Die histopathologische Untersuchung des Materials zeigte eine unspezifische Entzündung. Bei der Entlassung drei Wochen später waren alle Wunden reizfrei und der Befund komplett regredient. Ciprofloxacin wurde oral weitergeführt. Fünf Wochen später wurde das Mädchen erneut vorstellig aufgrund einer Rötung und Schwellung im Bereich der Regio parotidea links ([ Abb. 3 ]) unter noch laufender oraler Antibiose mit Ciprofloxacin. Abermals zeigte sich eine Abszessformation, welche entlastet wurde. Es bestätigte sich der V. a. ein erneutes Rezidiv der Tularämie-Infektion mittels PCR- Nachweis von Francisella tularensis. Es wurde in Abstimmung mit der Abteilung für Infektiologie eine i.v-Antibiose mit Streptomycin für zwei Wochen durchgeführt. Seit einem halben Jahr ist das Mädchen rezidivfrei. Eine echokardiografische Kontrolle konnte ebenfalls den Rückgang des Perikardergusses und der Koronararterienerweiterung bestätigen.

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Abb. 1 Hals-Sonographie. Lymphknotenpaket cervikal links, echoarm mit dorsaler Schallverstärkung, inhomogener Binnenstruktur und unscharf begrenzt.
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Abb. 2 MRT Hals, Frontalebene. Ausgeprägte Raumforderung cervikal links. T1-Wichtung mit inhomogenem Kontrastmittel-Enhancement.
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Abb. 3 Aufnahmebefund beim zweiten Rezidiv der Tularämie. Rötung und Schwellung im Bereich der Regio parotidea links. Gut sichtbar sind die Inzisionen der Vor-Operationen.
 
  • Literatur

  • 1 Ulu-Kilic. et al. Travel Med Infect Dis. 2014; 12: 609-616
  • 2 Foley. et al. Vet Microbiol. 2010; 140 (03) –4 332-338
  • 3 STAKOB Geschäftsstelle am Robert Koch-Institut. 2016
  • 4 Kaya. et al. Med Sci Monit 2011; 17 (07) 376-380
  • 5 Maurin. et al. Clin Infect Dis 2011; 53 (10) 133-141