Fortschr Neurol Psychiatr 2018; 86(04): 205
DOI: 10.1055/s-0044-100050
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Antidepressivum könnte gegen Multiple Sklerose helfen

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Publication Date:
24 April 2018 (online)

Das Antidepressivum Clomipramin könnte auch gegen die Symptome der Multiplen Sklerose (MS) helfen, speziell gegen die progrediente Form, die ohne Schübe verläuft. Gegen diesen MS-Typ gibt es bislang kaum Medikamente. Wissenschaftler der University of Calgary und der Ruhr-Universität Bochum screenten 1040 generisch erhältliche Medikamente und fanden darunter eines, das basierend auf präklinischen Untersuchungen für die MS-Therapie infrage kommt.

Mittlerweile sind 12 Medikamente für die schubförmige Phase der MS zugelassen, für progrediente Formen gibt es hingegen nur wenige Therapieansätze. Das Team arbeitete mit zugelassenen Medikamenten, für die potenzielle Nebenwirkungen bereits dokumentiert sind. Aus diesen wählten die Forscher 249 gut verträgliche Arzneimittel aus, die sicher ins Zentralnervensystem gelangen, wo bei progredienter MS eine chronische Entzündung abläuft. An Zellkulturen testeten sie, welche der 249 Substanzen Nervenzellen vor dem schädigenden Einfluss von Eisen bewahren können. Denn durch Zellschäden wird bei MS Eisen freigesetzt, das wiederum Nervenzellen schädigt.

Nach diesen Tests blieben 35 Kandidaten übrig, die die Forscher auf weitere Eigenschaften hin analysierten – etwa ob sie Schäden an den Mitochondrien reduzieren können oder die Aktivität von weißen Blutkörperchen senken, die bei der MS die Isolierung der Nervenzellen angreifen.

Das Medikament Clomipramin erwies sich dabei als vielversprechend. Die Substanz untersuchten die Wissenschaftler dann an Mäusen mit einer Krankheit, welche vergleichbar mit der schubförmigen MS bei Menschen ist. Die Behandlung unterdrückte die neurologischen Ausfälle komplett, es traten weniger Nervenzellschäden und Entzündungen auf. In einem weiteren Test behandelten sie Mäuse mit einer Krankheit, die der progredienten MS bei Menschen ähnlich ist. Auch hier zeigte sich eine Wirkung, wenn die Forscher die Therapie sofort bei den ersten klinischen Anzeichen für die Krankheit begannen. Anders als bei Tieren, die mit einem Plazebo behandelt wurden, kam es zu verminderten Symptomen wie Lähmungserscheinungen.

Basierend auf den präklinischen Daten ist es langfristiges Ziel der Forscher, Clomipramin und weitere Medikamente aus dem Screening in klinischen Studien an Patienten zu untersuchen. Ein Vorteil von generisch erhältlichen Medikamenten sei, dass es hinreichend klinische Erfahrung hinsichtlich des Nebenwirkungspotenzials gibt. Daher seien keine Phase-1-Studien (Untersuchungen der Verträglichkeit an gesunden Probanden) nötig.

Nach einer Mitteilung der Ruhr-Universität Bochum