Z Geburtshilfe Neonatol 2023; 227(S 01): e185
DOI: 10.1055/s-0043-1776522
Abstracts
DGPM

Verringerung der Frühgeburten durch Screening auf Bakterielle Vaginose

W. Kirschner
1   pregive GmbH, Evaluationsforschung, Berlin, Deutschland
,
W. Henrich
2   Charité – Universitätsmedizin, Klinik für Geburtsmedizin, Berlin, Deutschland
› Institutsangaben
 

Einleitung Frühgeburten stellen weltweit nach wie vor das größte Problem in der Geburtshilfe dar. Bei der Frühgeburt handelt es sich um ein multifaktorielles Geschehen, bei dem Vaginalinfektionen und v.a. die Bakterielle Vaginose (BV) in der Frühschwangerschaft bedeutende Risikofaktoren darstellen. Interventionen, die ein universelles Screening auf BV beinhalten (Vaginalabstrich und Nugent Score) und leitliniengerechte Therapien anschließen, weisen jedoch uneinheitliche Ergebnisse auf, wodurch sich die internationale und nationalen Fachgesellschaften wegen unklarer Evidenz bis dato nicht für ein generelles Screening aussprechen. So ist dieses auch in den Mutterschaftsrichtlinien nicht enthalten. Selektivverträge z.B. nach § 140a SGB V ermöglichen es den Krankenkassen, neue Versorgungskonzepte und innovative Modelle umzusetzen.

Material, Methode Insgesamt 15 Krankenkassen haben in den letzten Jahren entsprechende Programme zur Verringerung von Frühgeburten durchgeführt und unser Institut mit der Evaluation beauftragt. Dabei handelt es sich um das Programm "Gesund schwanger" von Betriebskrankenkassen organisiert über die GWQ sowie das Programm "Baby on Time" der Aok Nordost. Insgesamt wurden in die Programme 6.015 Schwangere einbezogen und mit 4.995 Schwangeren verglichen, die nicht am Infektionsscreening teilnahmen. Der Vergleich der Frühgeburten erfolgte unter Kontrolle von 27 konkurrierenden Risikofaktoren (Confounderfragebogen).

Ergebnisse Die Programme "Gesund schwanger" und "Baby on time" zeigen signifikante Reduktionen der Frühgeburtenraten für die jeweilige Gesamtpopulation. Teilnehmerinnen im "Baby on time"-Programm hatten ein 35% niedrigeres Risiko für eine Frühgeburt als schwangere Frauen der Kontrollgruppe (adjustiertes Odds-Ratio: 0,65; 95%-Konfidenzintervall 0,44–0,97). Teilnehmerinnen an "Gesund schwanger" hatten ein 26% niedrigeres Risiko für eine Frühgeburt als Frauen der Kontrollgruppe (adjustiertes Odds-Ratio: 0,74; 95%-Konfidenzintervall 0,56–0,98).

Diskussion Die überwiegend ablehnende bzw. zurückhaltende Position der internationalen und nationalen Fachgesellschaften bzw. Gremien zum Screening auf Bakterielle Vaginose in der Schwangerschaft begründet sich auf der nicht ausreichend gesicherten Evidenz der Wirksamkeit der Interventionen, die in der Regel auf der Grundlage randomisierter Fall-Kontrollstudien (RCT) erbracht werden muss. Die hier im Rahmen der Versorgungsforschung generierten Ergebnisse weisen zwar den Nachteil, der in der medizinischen Versorgung oft nicht möglichen Randomisierung der Patient*innen auf, dem stehen jedoch die Vorteile der Durchführung der Intervention in der konkreten Versorgungsrealität und des tatsächlichen Nachweises der Verringerung der Frühgeburten gegenüber.

Fördermittel

Evaluationsaufträge der Programmträger



Publikationsverlauf

Artikel online veröffentlicht:
15. November 2023

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