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DOI: 10.1055/s-0043-1771550
Körperbildstörung und visuelle Körpermassschätzung bei Jugendlichen mit Anorexia Nervosa: Eine parallele MEG Und EEG Studie
Einleitung Patientinnen mit Anorexia Nervosa (AN) nehmen sich oft trotz Untergewicht als „zu dick“ wahr. Bisher ist noch unklar, ob diese verzerrte Körperwahrnehmung v.a. kognitiv-affektive Prozesse betrifft, oder ob auch die visuelle Körperwahrnehmung gestört ist. Hier wurden daher behaviorale und neuronale Korrelate visueller Wahrnehmungsprozesse bei der Schätzung von Körpermaßen untersucht.
Methoden Die visuelle Körpermaßschätzung wurde mittels paralleler Magnet- und Elektroenzephalographie (MEEG) bei 36 jugendlichen AN Patientinnen und 42 gesunden Kontrollprobandinnen untersucht. Während der MEEG-Messung wurden 66 verschiedene computergenerierte Körperbilder mit unterschiedlichem BMI dargeboten. Die Probandinnen schätzen die Körpermaße einmal ohne und einmal mit Bezug zu ihrem eigenen Körper. Auf Basis der erfassten visuell evozierten ereigniskorrelierten Felder/Potenziale wurden neuronale Quellen mittels L2-Minimum-Norm-Methode bestimmt.
Ergebnisse AN Patientinnen überschätzten ihre eigenen Körpermaße deutlich stärker als Kontrollprobandinnen. Bei der Schätzung der Körpermaße ohne Bezug zum eigenen Körper waren die Gruppen hingegen gleich gut. Auf neuronaler Ebene zeigten AN Patientinnen, verglichen mit Gesunden, im mittleren bis späten Zeitbereich (200–550ms) über alle Hirnregionen und Aufgaben hinweg eine erhöhte Aktivität in Reaktion auf sehr untergewichtige Körperbilder. Eine sekundäre Analyse ergab eine relativ stärkere neuronale Aktivität in Reaktion auf höhergewichtige Körperbilder spezifisch bei AN Patientinnen mit ausgeprägter Überschätzung der eigenen Körpermaße.
Schlussfolgerung Die korrekte Schätzung von Körpermaßen ohne Bezug zum eigenen Körper sowie intakte neuronale Korrelate früher visueller Wahrnehmung sprechen gegen ein visuelles Wahrnehmungsdefizit bei AN. Erhöhte neuronale Aktivität in mittleren/späten Zeitbereichen spiegelt vermutlich emotional gesteuerte Aufmerksamkeitsprozesse in Reaktion auf untergewichtige bzw. bei starker Überschätzung auch höhergewichtige Körper wieder und deutet auf veränderte kognitiv-affektive Prozesse bei AN hin.
Publication History
Article published online:
06 September 2023
© 2023. Thieme. All rights reserved.
Georg Thieme Verlag
Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany