VPT Magazin 2023; 09(01): 10-11
DOI: 10.1055/s-0043-1763534
Politik

Interview mit dem VPT-Bundesvorsitzenden Hans Ortmann: Was sind die Top-Themen für den Verband in 2023?

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VPT-Bundesvorsitzender Hans Ortmann (Foto: Oliver Peters/VPT)

„Wir wünschen uns für unseren Berufsstand, dass wir uns konstruktiv und auf Augenhöhe mit Ärzt*innen und allen anderen in Gesundheitsberufen austauschen – mit dem Ziel, das Beste für die Patient*innen zu erreichen.“

Herr Ortmann, welches sind aus Ihrer Sicht die Top-Themen, bei denen der VPT in diesem Jahr für seine Mitglieder Verbesserungen erreichen möchte?

Hans Ortmann: Ich hoffe auf einen baldigen Abschluss der Verhandlungen zur Blankoverordnung mit den Krankenkassen und den Start zur regelhaften Anwendung. Das steht für uns ganz weit oben auf der politischen Agenda. Ein weiteres konkretes Thema, das wir mit den Krankenkassen verhandeln, ist die Überarbeitung der Zertifikatspositionen. Wir streben eine Neuregelung nach kompetenzorientierten Kriterien und eine deutliche Reduzierung des zeitlichen Umfangs an, gekoppelt an die Übernahme von Lerninhalten in die Berufsausbildung. Last but not least wollen wir auf konkrete Umsetzungsschritte für Modellvorhaben zum Direktzugang hinwirken. Dabei geht es darum, dass Patient*innen ohne vorherigen Arztkontakt Physiotherapeut*innen aufsuchen können. Mit dem Versorgungsgesetz II könnte hierfür noch in diesem Jahr die nötige Grundlage geschaffenwerden.

Schon seit längerem in der Diskussion ist die Reform der Berufsgesetze und im Zuge dessen die Ausbildungsreform, Stichwort „Vollakademisierung“. Wie geht es hier weiter?

Hans Ortmann: Aus unserer Sicht bedarf es einer zügigen Ausbildungsreform für die physiotherapeutischen Berufe, um die Tätigkeitsprofile an die zunehmend komplexer werdenden Krankheitsbilder anzupassen. Dies gilt für den Beruf der Physiotherapeut*innen genauso wie für jenen der medizinischen Massagetherapeut*innen – so wollen wir den Beruf Masseur und medizinischer Bademeister künftig benennen. Wichtig ist, dass die Ausbildungswege durchlässig bleiben. Das heißt, junge Menschen mit niedrigen und mittleren Schulabschlüssen können sich über die Ausbildung zu medizinischen Massagetherapeut*innen anschließend zu Physiotherapeut*innen weiterqualifizieren. Mit anderen Worten: Jedem und jeder mit Interesse, einen Therapieberuf zu erlernen, sollte das auch in Zukunft ermöglicht werden. Und für die fachschulisch ausgebildeten Physiotherapeut*innen – das sind derzeit rund 98 Prozent aller aktiven Physiotherapeut*innen – muss es einen Bestandsschutz geben. Denn sie sind die wesentliche Säule, um die Versorgung der Patient*innen sicherzustellen.

Warum brauchen wir denn überhaupt mehr akademisch ausgebildete Physiotherapeut*innen?

Hans Ortmann: Auf der einen Seite soll die akademische Ausbildung die physiotherapeutischen Berufe attraktiver machen. Auf der anderen Seite dient die Akademisierung der patientengerechten Versorgung, die zunehmend evidenzbasiert werden muss. Das geht aber nur, wenn es auch Evidenz gibt – und die kann nur im akademischen Rahmen entstehen. Oder anders gesagt: Ohne akademische Ausbildung gibt es keine Wissenschaft, keine Forschung, keine Studien und somit keine evidenzbasierte Fortentwicklung der bestehenden Konzepte. Für die Zukunft der Physiotherapie ist diese Entwicklung aus meiner Sicht aber unerlässlich.

Blicken wir einmal über den Tellerrand: Über die elektronische Patientenakte und die digitale Verordnung wird im Gesundheitssystem ja schon länger diskutiert. Warum ist es aus Ihrer Sicht wichtig, hier schnell voranzukommen?

Hans Ortmann: Diese digitalen Formate sind ja kein Selbstzweck. Vielmehr sind sie dringend benötigte Hilfsmittel, um die Versorgung zu verbessern und die interprofessionelle Zusammenarbeit voranzubringen. Wir als VPT wünschen uns für unseren Berufsstand, dass wir uns konstruktiv und auf Augenhöhe mit Ärzt*innen und allen anderen Gesundheitsberufen austauschen – mit dem Ziel, das Beste für die Patient*innen zu erreichen. Dafür braucht es praktikable und geschützte Kommunikationswege und gleichzeitig einen klaren Ordnungsrahmen der Arbeitsbedingungen. Dafür brauchen wir aber noch weit mehr: Nämlich eine politische Systemkorrektur, bei der eine angemessene Patient*innenversorgung Vorrang hat und nicht ein falsch verstandenes Wirtschaftlichkeitsgebot.

Wo stehen Sie denn in der Zusammenarbeit mit den politischen Entscheidern?

Hans Ortmann: Mit dem Spitzenverband der Heilmittelverbände (SHV) haben wir einen starken Ansprechpartner für das Bundesgesundheitsministerium und die Politik etabliert, den wir weiter stärken wollen. Gesundheitsminister Karl Lauterbach hat uns genau hierfür die Bestätigung beim Therapiegipfel Ende vergangenen Jahres gegeben, als er betonte, wir seien in einem guten Miteinander.

Jetzt haben wir die Sicht des VPT-Vorsitzenden Hans Ortmann gehört. Gibt es auch persönliche oder berufliche Schwerpunkte, auf die Sie sich in diesem Jahr konzentrieren wollen?

Hans Ortmann: Ja, ich will meine Work-Life-Balance optimieren.



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Article published online:
20 February 2023

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