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DOI: 10.1055/s-0043-1762658
Auswirkungen des BTHG in Schleswig-Holstein und Niedersachsen
Schon vor Inkrafttreten des BTHG war die Hilfeplanung in der Eingliederungshilfe sowohl organisatorisch wie auch inhaltlich recht heterogen. Während in einigen Kreisen und Städten die fachliche Hilfeplanung für psychisch Kranke Menschen in unterschiedlichem Umfang bei den sozialpsychiatrischen Diensten angesiedelt war (teils durch Beteiligung, teils in Federführung) und damit Synergieeffekte und die fundierte Kenntnis des regionalen Hilfesystems genutzt werden konnten, arbeiteten in anderen Kommunen Hilfeplaner*innen als Mitarbeiter*innen der Sozialämter unter der Vorgabe, Kosten zu sparen. Die Qualität der Hilfeplanung war dementsprechend recht unterschiedlich. Mit Einführung des BTHG wurden jeweils landeseinheitliche, sehr umfangreiche und am ICF orientierte Bedarfsermittlungsinstrumente entwickelt, die vom Charakter her deutlich mehr Verwaltungstätigkeit herausfordern als sozialpädagogische Qualität abbilden. Da dieses „bürokratische Monster“ auch mit aufgestockten Personalressourcen in den SpDi´s nicht mehr zu bewältigen war, ohne die anderen Kernaufgaben zu vernachlässigen, wurde die Hilfeplanung von den allermeisten bisher beteiligten SpDi´s zum größten Teil an die Sozialämter abgegeben, die dazu eine Vielzahl von Sozialpädagog*innen zur Übernahme der vorwiegend bürokratischen Aufgaben einstellten. Lediglich vereinzelt gelang der Erhalt einer Einflussnahme fundierter sozialpsychiatrischer Fachlichkeit auf die individuelle Hilfeplanung, sei es durch Einrichtung oder Ausbau eines eigenen Fachgebietes im Gesundheitsamt geschaffen wie in den Landkreisen Ostholstein, der Region Hannover oder im Landkreis Harburg oder durch Einrichtung einer eigenen Abteilung im SpDi, die im Auftrag des Sozialamts tätig ist, wie im Lübeck.
Infolge fortbestehenden Personalmangels, wenig am Menschen orientierter Arbeitsweise und der vom BTHG vorgegebenen Antragspflicht der Betroffenen kommt es überall zu langwierigen und zähen Verfahren, schwer psychisch kranke Menschen fallen zunehmend durch die Maschen, Leistungserbringer, insbesondere im stationären Bereich, reduzieren ihre Angebote. Die SpDi´s sind zunehmend damit befasst, schwerkranke Menschen, die die Schwelle zur Antragstellung nicht schaffen über lange Zeiträume zu begleiten, andere bei der Antragstellung an der Hand zu nehmen und dann aufgrund der langwierigen Verfahren über längere Zeiträume zu begleiten. Zudem fällt auf, dass die vormals ganzheitliche, sprich kostenträgerübergreifende Herangehensweise der SpDi´s im bürokratischen Dschungel des BTHG verlorengegangen und ein einseitiger Fokus auf professionelle EGH-Angebote dominiert. Kritisch gesehen wird auch die ungünstige Kolleratalentwicklung zunehmender rechtlicher Betreuungsverfahren für betroffenen Klient*innen zur Bewältigung des Verfahrens und damit ein gegenteiliger Effekt der ursprünglich vom Gesetzgeber angestrebten Intention, die Rechte Betroffener zu stärken.
Publication History
Article published online:
08 March 2023
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Georg Thieme Verlag
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