Allgemeine Homöopathische Zeitung 2018; 263(02): 3
DOI: 10.1055/s-0043-125032
Editorial
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Für individuelle Impfentscheidungen

Michael Teut
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Publication Date:
16 April 2018 (online)

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Anne Sparenborg-Nolte

Bibliografie

DOI https://doi.org/10.1055//s-0043-125032

AHZ 2018; 263: 3

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart. New York

ISSN 1438-2563

Die Impfdiskussion ist von allen Themen in der Medizin am ehesten dazu geeignet, die Gemüter zu erhitzen. Der Deutsche Zentralverein homöopathischer Ärzte hat deshalb eigens für diese Ausgabe der AHZ seine Stellungnahme zum Thema Impfen überarbeitet, wofür ich meinen Dank ausspreche. Und es wird klar heraus gestellt: Homöopathische Ärzte sind keine Impfgegner. Wer die Beiträge in diesem Heft liest, wird dem zustimmen. Und doch:

Wir können dementieren, soviel wir wollen, wir bleiben unter Verdacht. Denn in den Augen von Impfhardlinern ist jeder, der eine individuelle Impfentscheidung in Erwägung zieht oder Impffolgezustände beschreibt und behandelt, ein Impfgegner. Die Impfdiskussion wird auch unter Ärzten oft von Schwarz-weiß-Malerei und aggressiven Tönen beherrscht, man lässt der Irrationalität freien Lauf und ist an Sachargumenten kaum interessiert. Am 12.01.2018 wurden über Facebook einige, teils absichtlich entstellte Argumente der sogenannten Impfgegner unter der Überschrift „Bullshit-Bingo“ veröffentlicht – vom deutschen Gesundheitsministerium (!).

Homöopathische Ärzte neigen nicht nur ausnahmsweise dazu, Impfungen zu differenzieren und die Indikation im Einzelfall abzuwägen. Sie machen keinen Hehl daraus, dass sie individuell für den Patienten nachdenken und handeln. Genau das soll man aber nicht tun, wenn es um Impfungen geht. Hier geht es um mehr als um ein Individuum, und wer nicht mitmacht, gefährdet die anderen, so heißt es. Steffen Rabe, homöopathischer Arzt und Mitbegründer der „Ärzte für individuelle Impfentscheidung e.V.“ zeigt in seinem Beitrag Einer für Alle – Alle für Eine(n)?, was es mit der Herdenimmunität auf sich hat. Denn die Herdenimmunität ist das zentrale Argument gegen die individuelle Impfentscheidung und für die Quasi-Kriminalisierung von Impfschemata, die von der STIKO-Empfehlung abweichen. Der Artikel ist hervorragend recherchiert und hebt sich wohltuend nüchtern von der bizarren Diskussionslandschaft ab.

Stephan Nolte bereichert die Impfdiskussion in seinem Beitrag Unspezifische Auswirkungen von Impfungen auf die allgemeine Gesundheit um einen Blick über den Tellerrand. Er kommt zu dem Schluss, dass Impfungen unspezifisch negative Effekte auf den allgemeinen Gesundheitszustand haben können. Das bedeutet im Klartext, dass die Infektanfälligkeit unserer Kinder mit all ihren Folgen durch die geballte Ladung an Impfungen in der frühen Kindheit ansteigen könnte.

Liegt es an der Homöopathie selbst, dass viele homöopathische Ärzte Impfungen differenzierter betrachten als die STIKO sich wünscht? Ich glaube ja. Die Homöopathie legt Wert auf Individualisierung. Symptome und Modalitäten haben ein höheres Gewicht als Krankheitsnamen. Allein schon die ausführliche, vorurteilslose homöopathische Anamnese gibt Anhaltspunkte für den Zusammenhang von Impfungen und neuen Symptomen, auch chronisch persistierenden. Aber mit dieser Beobachtung verstoßen sie gegen einen unbewiesenen Glaubenssatz: Impfungen sollen in der Regel harmlos und gut verträglich sein.

Ernst Trebin erinnert in seinem Beitrag Impfschäden daran, dass z. B. das Guillain-Barré-Syndrom nicht selten gerichtlich als Impfschaden anerkannt wird. Vielleicht ist das jedoch nur die Spitze des Eisbergs. Gerhard Bleul berichtet im Artikel Homöopathische Behandlung von Impffolgen von neun Fällen aus seiner Praxis, in denen nach Impfungen Beschwerden auftraten, die erst erfolgreich zum Abklingen gebracht werden konnten, nachdem die entsprechende Impfnosode verabreicht wurde.

Vor diesem Hintergrund ist es verständlich, dass manch homöopathischer Arzt Gründe sieht, warum nicht immer nach STIKO- Empfehlung geimpft werden muss. Stefan Wild gewährt uns in Individuelle Impfentscheidung in der Alltagspraxis einen Blick in seine Praxis, in der Patienten individuell zu ihrer Impfentscheidung beraten werden.

Ein bisschen Ähnlichkeit hat das Ganze mit der Geschichte von David und Goliath. Eine kleine Gruppe praktisch ohne Sponsoren tritt einer mächtigen Lobby gegenüber. Die Impfungen sind ein Milliardengeschäft – nicht für die Ärzte, aber für den Staat (19% MwSt. auf Impfstoffe) und die Impfstoffhersteller. Die wohl gehüteten Glaubenssätze dieser Lobby sind Gold wert, das sollte man nicht vergessen.

Anne Sparenborg-Nolte