Fortschr Neurol Psychiatr 2018; 86(04): 207-208
DOI: 10.1055/s-0043-123891
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Kluge Köpfe haben die besser vernetzten Gehirne

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Publication Date:
24 April 2018 (online)

Die Grundlagen des menschlichen Denkens faszinieren Wissenschaftler und Laien seit jeher. Unterschiede in kognitiven Leistungen werden v. a. auf individuell ausgeprägte Intelligenz zurückgeführt. Dass damit auch Unterschiede in der Vernetzung funktioneller Module im neuronalen Netzwerk des Gehirns einhergehen, zeigt nun eine aktuelle Studie. Mitarbeiter vom Institut für Psychologie der Goethe-Universität Frankfurt am Main nutzten MRT-Hirnscans von mehr als 300 Personen und moderne Verfahren der graphentheoretischen Netzwerkanalyse, um die neurobiologischen Grundlagen menschlicher Intelligenz zu untersuchen.

Schon 2015 hatte die Forschergruppe eine Meta-Studie veröffentlicht, worin sie Hirnregionen identifizierte, in denen Aktivierungsveränderungen während kognitiver Herausforderungen einen zuverlässigen Zusammenhang mit Intelligenz zeigten (z. B. der Präfrontalkortex). Wie diese „Intelligenz-Regionen“ des Gehirns jedoch untereinander vernetzt sind, darüber gab es bis vor wenigen Jahren kaum Erkenntnisse. Anfang 2017 dann berichtete das Forscherteam der Goethe-Universität, dass bei intelligenteren Personen 2 Hirnregionen, die mit der Verarbeitung aufgabenrelevanter Informationen in Verbindung gebracht werden (vorderer insulärer und cingulärer Kortex), über kürzere und somit effizientere Verbindungen mit dem Rest des Hirnnetzwerks verbunden sind. Eine andere Region, die mit dem Ausblenden irrelevanter Informationen in Verbindung gebracht wird (die Übergangsregion zwischen Temporal- und Parietalkortex), ist hingegen weniger stark mit dem Rest des Netzwerks verbunden. Die unterschiedlich starke Einbettung dieser Regionen ins Gesamtnetzwerk des Gehirns könnte es intelligenteren Personen erleichtern, zwischen wichtigen und unwichtigen Informationen zu unterscheiden.

In ihrer aktuellen Studie nun berücksichtigten die Wissenschaftler, dass das menschliche Gehirn modular organisiert ist. Im Gehirn gibt es Subnetzwerke von Hirnregionen, die untereinander eng vernetzt sind, während sie zum Rest des Netzwerks nur schwache Verbindungen haben. In der Studie wurden speziell intelligenzabhängige Unterschiede in der Rolle einzelner Hirnregionen für die Kommunikation zwischen und innerhalb von Subnetzwerken betrachtet.

Die Studie zeigt: Bei intelligenteren Personen sind bestimmte Gehirnregionen deutlich stärker am Austausch von Informationen zwischen Subnetzwerken beteiligt, sodass bedeutsame Informationen schneller und effizienter kommuniziert werden können. Auf der anderen Seite konnten die Forscher auch Regionen identifizieren, welche bei intelligenteren Personen stärker vom restlichen Netzwerk abgekoppelt sind, wodurch Gedanken möglicherweise besser gegen störende Einflüsse abgeschirmt sind. Es wird vermutet, dass Netzwerkmerkmale, die bei intelligenteren Personen in stärkerer Ausprägung zu finden sind, es den Menschen erleichtern, sich gedanklich auf etwas zu konzentrieren und dabei irrelevante und störende Reize auszublenden. Dabei bleibt zunächst offen, wie diese Zusammenhänge zustande kommen. Es ist möglich, dass manche Menschen aufgrund einer biologischen Veranlagung Hirnnetzwerke ausbilden, die intelligente Leistungen wahrscheinlicher machen. Genauso gut kann sich umgekehrt der häufigere Gebrauch des Gehirns für intelligentere Leistungen positiv auf die Ausformung der Netzwerke im Gehirn auswirken. Bei allem, was wir über den Einfluss von Anlage und Umwelt auf die Intelligenz wissen, erscheint ein Wechselspiel beider Prozesse am wahrscheinlichsten.

Nach einer Pressemitteilung der Goethe-Universität Frankfurt am Main