Der Klinikarzt 2017; 46(11): 573
DOI: 10.1055/s-0043-121681
Editorial
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

9 von 10 Krebspatienten verdanken ihre Heilung Chirurgie und Strahlentherapie

Günther J. Wiedemann
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Publication Date:
15 November 2017 (online)

Für die etwa 482 470 im Jahr 2016 neu an Krebs Erkrankten erwartet das Robert Koch-Institut eine deutlich über 50 %ige Heilungswahrscheinlichkeit (Männer: 62 %, Frauen: 67 %). Die altersstandardisierte Krebssterblichkeit geht weiter zurück (Männer: um 13 %, Frauen: um 9 %) – gute Nachrichten für die mindestens 1,6 Millionen Krebspatienten (deren Diagnose nicht länger als 5 Jahre zurückliegt), die in Deutschland leben. Bei den meisten Krebsentitäten erreichen Krebspatienten, die rezidivfrei 5 Jahre überlebten, die durchschnittliche Lebenserwartung der gleichaltrigen Männer und Frauen. Die absolute Krebssterblichkeit nimmt mit der zunehmenden Zahl der Krebskranken allerdings weiter zu.

Die sorgfältig erhobenen und bearbeiteten Daten können nicht vollständig sein: Wahrscheinlich tauchen viele Malignompatienten in den Krebsstatistiken nicht auf, weil in Deutschland kaum mehr Sektionen durchgeführt werden. Vermutlich bleibt derzeit ein Viertel aller Krebserkrankungen unerkannt [1].

Der Großteil der geheilten Krebspatienten haben ihre Heilung der lokoregionären Tumorbehandlung durch die Chirurgie (aller Fächer) und Strahlentherapie zu verdanken (Statistisches Bundesamt, Zeitraum 2011–2012, 5-Jahres-Überlebensraten). 80–90 % der Geheilten waren operiert und 50–60 % der Geheilten waren strahlentherapiert worden. Sicher ein Grund auch für Systemtherapeuten, sich mit den Änderungen der Standards der lokoregionären Tumortherapien auseinander zu setzen. Erfreulicherweise teilen auch in diesem Jahr national und international führende Experten (Prof. Königsrainer, Tübingen, Chirurgie und Prof. Debus, Heidelberg, Strahlentherapie) ihr Wissen mit uns.

Klinisch wichtige Änderungen für die Tumorheilung machen sich oft erst nach vollständiger Umsetzung in den folgenden Jahrzehnten bemerkbar: So führt die Totale Mesorektum Excision (TME), von R.F. Heald et al. 1982 eingeführt [2] , heute in vielen – leider nicht allen chirurgischen Kliniken – zu deutlich höheren Heilungsraten beim Rektumkarzinom, speziell dann, wenn die Patienten bei entsprechendem Tumorstadium neoadjuvant strahlentherapiert werden [3].

Die Neuigkeiten von heute sind möglicherweise die Standardtherapien von morgen.

 
  • Literatur

  • 1 Said SM, Hahn J, Koops S. et al. How reliable are our cancer statistics? Cancer cases in Hamburg's autopsy material. DMW 2007; 132: 2067-2070
  • 2 Heald RJ, Husband EM, Ryall RD. The mesorectum in rectal cancer surgery--the clue to pelvic recurrence?. Br J Surg 1982; 69: 613-616
  • 3 Sauer R, Becker H, Hohenberger W. et al. Preoperative versus postoperative chemoradiotherapy for rectal cancer. N Engl J Med 2004; 351: 1731-1740