Z Gastroenterol 2017; 55(11): 1258
DOI: 10.1055/s-0043-120993
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© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

15 Jahre Darmkrebs-Screening

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Publikationsdatum:
15. November 2017 (online)

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

Darmkrebsfrüherkennung mit dem g-FOBT gibt es in Deutschland seit 1977; aber lange Zeit „ging kaum einer hin“. Gefehlt hat eine begleitende Evaluation, mit der Aussagen über die bundesweite Wirksamkeit möglich gewesen wären! Was hätte alles mehr erreicht werden können, wenn Erkenntnisse aus der Versorgungsforschung unbürokratisch diskutiert und umgesetzt worden wären?

Seit der aufsehenerregenden Arbeit von Sidney Winawer in 1993 ist nachgewiesen, dass die konsequente koloskopische Polypektomie die Darmkrebsentstehung verhindert. Trotz intensiver Gespräche auch mit Krankenkassen hat es fast zehn Jahre gedauert, bis in 2002 in Deutschland ein bimodales Screening-Angebot in die Regelversorgung eingeführt wurde. Immerhin waren wir so fortschrittlich und haben entgegen anderen europäischen Ländern neben dem g-FOBT auch die Koloskopie trotz deutlich schlechterer Evidenz als der Stuhltest zugelassen. Sie war verbunden mit Qualitätskriterien für die Untersucher und einer verbindlichen Dokumentation der Spiegelung sowie die Auswertung der Daten über das Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung in Deutschland.

Viel Öffentlichkeitsarbeit aus den verschiedensten Richtungen hat dieses Darmkrebsscreening begleitet. 15 Jahre später sind wir doch zufrieden, dass es diese Versorgungsleistungen gibt. Dank einer hervorragenden wissenschaftlichen Begleitung durch H. Brenner und Team vom DKFZ sind wir in der Lage, über Daten und Entwicklungen zu berichten, die es bisher in dieser einmaligen Form nicht gab. Wir können belegen, dass eine große Zahl an Darmkrebs-Neuerkrankungen verhindert worden ist und Inzidenz wie Mortalität an Darmkrebs deutlich zurückgegangen sind. Wir können auch zeigen, dass die Koloskopie keineswegs mit vielen Komplikationen behaftet ist, sondern inzwischen als ein sehr sicheres Untersuchungsverfahren gilt.

Ist das alles schon ausreichend? Die Holländer haben uns vorgemacht, wie man ein Screening-System mit dem Stuhltest so entwickelt, dass Schwachstellen erkannt und verbessert werden können. Nachahmung ist auf jeden Fall empfehlenswert! Wir haben es geschafft, dass nach jahrelangen Diskussionen im Nationalen Krebsplan ein Gesetz, das KFRG, verabschiedet wurde, dass das bisher opportunistische Screening durch ein Einladungsverfahren ersetzt. Wer aber geglaubt hat, dass nun alles rund läuft, sieht sich eher enttäuscht. Das Gesetz steht seit 2013 nur auf dem Papier; der immunologische Stuhltest ist seit dem 1. April diesen Jahres zwar eingeführt, seine Umsetzung im Alltag läuft aber keineswegs rund. So heißt es unverändert, die Fortschritte aktiv einzufordern und dabei die Geduld nicht zu strapazieren.

Die Vorsorgegegner werden nicht müde, Bremsspuren in die öffentliche Diskussion zu bringen. Sicher gab und gibt es auch im Bereich der Vorsorge Fehlentwicklungen, die es kritisch zu beleuchten gilt. Aber gerade die Darmkrebsvorsorge ist ein klassisches Beispiel dafür, was erreichbar ist und wo vor allem deutliche Verbesserungen möglich sind. Die informierte Entscheidung zur Vorsorge ist sicher eine conditio sine qua non. Richtig ist aber auch, dass nicht jeder Mensch für die gleiche Information zugänglich ist. Daher bedarf es auch in der Prävention einer präzisen, individuellen Ansprache, die die Menschen in ihrem Umfeld abholt und mitnimmt und ihnen nicht etwas überzustülpen versucht. Bleiben wir also zuversichtlich und nehmen die Gestaltung der neuen gesetzlichen Möglichkeiten aktiv selbst in die Hand. Gerade die anspruchsberechtigten Menschen verdienen unsere besondere Zuwendung.

Dank gilt allen, die sich um das bisher Erreichte verdient gemacht haben. Aber, wie so oft im Leben: Das Bessere ist der Feind des Guten. bng und Stiftung LebensBlicke werden sich daher auch in den nächsten 15 Jahren für Prävention und damit für die Verbesserung der Information, der Motivation und damit der Akzeptanz der Darmkrebsvorsorge und Früherkennung einsetzen. Sie werden Weiterentwicklungen öffentlich machen und aktiv unterstützen. Das KFRG sollte dabei auch eine Triebfeder sein, wenn es denn bald kommt!