Der Klinikarzt 2017; 46(10): 468
DOI: 10.1055/s-0043-120120
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© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Chronische Herzinsuffizienz: Innovationen und neue Entwicklungen

Böhm Michael
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Publication Date:
24 October 2017 (online)

Die chronische Herzinsuffizienz ist in Deutschland die häufigste Ursache für Krankenhausaufnahmen. Jede Krankenhausaufnahme ist durch eine nachfolgende Erhöhung der Sterblichkeit und eine hohe Rate von Rehospitalisierungen der betroffenen Patienten charakterisiert. Die Entwicklungen der Pharmakotherapie und der Therapie mit implantierbaren Devices hat in den letzten Jahren zu einer deutlichen Prognoseverbesserung geführt. Je mehr jedoch diese Fortschritte entwickelt wurden, je klarer wurde, dass Begleitumstände den Verlauf des Herzinsuffizienzsyndroms maßgeblich beeinflussen. Hierzu zählen Komorbiditäten wie Lungenerkrankungen, Diabetes mellitus, eingeschränkte Nierenfunktion („kardiorenales Syndrom“) und psychologische Störungen wie Depression und kognitive Einschränkungen. Die hohe Krankheitslast und Multimorbidität dieser Patienten macht die Behandlung und ganzheitliche Betreuung dieser chronisch kranken Patientengruppe immer schwieriger und komplexer. Diese Ausgabe des klinikarzt befasst sich mit einigen besonderen Charakteristika, die natürlich aufgrund der Komplexität und Breite des Syndroms nur eine subjektiv getroffene Auswahl darstellen können.

Im ersten Manuskript fasst Prof. Maack aus Würzburg die zellulären Mechanismen und insbesondere neue Entwicklungen in der myokardialen Energetik bei chronischer Herzinsuffizienz zusammen. Die komplexen Zusammenhänge der Herzmuskelveränderungen belegen, dass es trotz zahlreicher wirksamer Therapien noch weitere Therapieansätze geben könnte, die die myokardiale Funktion und Strukturen bei Herzinsuffizienz günstig beeinflussen könnten. In der praktischen Medizin finden sich darüber hinaus immer wieder neue Entwicklungen. So hat der kürzlich zugelassene Angiotensin-Rezeptorblocker-Neprilysin-Inhibitor (ARNI) in der PARADIGM-Studie gezeigt, dass bei intensiver vorbestehender Therapie immer noch eine Sterblichkeitsreduktion erzielt werden kann. Diese Substanz ist nach komplexen Diskussionen an prominenter Stelle in die Europäischen Leitlinien aufgenommen worden. Die Arbeitsgruppe aus Hannover fasst Neuigkeiten zusammen, die ihre Implementierung jetzt in der Leitlinie von 2016 gefunden haben. Komorbiditäten erschweren die Diagnose der Herzinsuffizienz, verstärken die Symptomatik der betroffenen Patienten und haben in der Regel auch nachteilige Effekte auf die Überlebenszeit. Prof. Anker hat sich seit Jahren mit dem Eisenmangel (er kann auch ohne Anämie auftreten) bei herzinsuffizienten Patienten befasst. Er beschreibt in seiner Arbeit detailliert die Bedeutung des Eisens als Risikomarker und die potenziellen Wirkungen der Eisenbehandlung bei diesen Patienten. Psychologische Komplikationen wie Angststörungen, Depression, aber auch kognitive Einschränkungen sind ebenfalls mit einer Verschlechterung der Herzinsuffizienzsymptomatik und Prognose assoziiert. Wahrscheinlich tragen sie zu einem nachteiligen Gesundheitsverhalten mit einer verminderten Adhärenz zur medikamentösen Therapie und anderen medizinischen Maßnahmen bei. Die Zusammenhänge und die Entwicklung dieses innovativen Forschungsfeldes werden von Wedegärtner und Kindermann zusammengefasst.

Die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie/Herz- und Kreislaufforschung hat die Zertifizierung von Herzinsuffizienzzentren („Heart Failure Unit“) initiiert. Diese Zentren sollen den „Normalfall“ (stabile Herzinsuffizienz) mit Problemen wie Dekompensationen und geordnete Nachsorge einer verbesserten Versorgung zuführen. Hierzu gehört allerdings auch die Versorgung von schwerstkranken Patienten in Zentren der Hochleistungsmedizin. Prof. Doenst beschreibt hier aktuelle Aspekte der herzchirurgischen Behandlung der Herzinsuffizienz. Es handelt sich hierbei um Verfahren zur Korrektur von Klappenvitien, Implantation von ventrikulären Ersatzsystemen bis hin zur Herztransplantation, die eine besondere Bedeutung bei schwerstkranken Patienten haben.

Die Autoren hoffen, den Lesern ein ausgewogenes Bild von Innovationen und neuen Entwicklungen im Bereich der chronischen Herzinsuffizienz gegeben zu haben. Die hohe Komorbiditätslast und das breite Spektrum des Herzinsuffizienzsyndroms zeigen, dass nur eine interdisziplinäre Versorgung dieser Patienten zu einer Verbesserung der immer noch schlechten Prognose beitragen kann.