Fortschr Neurol Psychiatr 2017; 85(11): 655-656
DOI: 10.1055/s-0043-119848
Fokussiert
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Psychische Faktoren als Ursache für Krebs – ja oder nein?


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Publication Date:
22 November 2017 (online)

Bundesweite Befragung von Gesunden, Patienten und Angehörigen

Im Auftrag des Krebsinformationsdienstes des Deutschen Krebsforschungszentrums hat das Meinungsforschungsinstitut GfK im Juli und August 2023 Menschen mit drei Aussagen zum Thema „Psyche und Krebs“ konfrontiert. Die 991 Männer und 1032 Frauen im Alter von 14 bis über 70 Jahren repräsentieren einen Querschnitt durch die deutsche Bevölkerung.

„Krebspersönlichkeit“ – dieses Konzept ist wissenschaftlich überholt


Nach dem heutigen Wissensstand gibt es keinen Nachweis für eine „Krebspersönlichkeit“ – häufig beschrieben als ein Persönlichkeitstypus, der zur Melancholie neigt, angepasst lebt und Gefühle schwer zum Ausdruck bringen kann. Aber wie sehen das die Befragten? Rund 72 % aller Teilnehmer an der Umfrage stimmten nicht zu, dass Menschen, die eine gehemmte Persönlichkeit haben und unfähig sind, starke Gefühlsäußerungen zu zeigen, Krebs bekommen. Ähnlich auch das Ergebnis bei den aktuell erkrankten Krebspatienten sowie Angehörigen und Freunden von Betroffenen: Jeweils rund drei Viertel waren nicht einverstanden mit diesem Statement.


Psychische Belastungen als Risiko?

Anders sieht es mit der Aussage aus: „Seelische Probleme und Stress verursachen Krebs“. Trotz mangelnder wissenschaftlicher Belege stimmte die Mehrheit aller Umfrageteilnehmer zu, nämlich 61 %. Zwischen Männern und Frauen gab es keine signifikanten Unterschiede. Ein ähnliches Bild zeigt sich bei den Befragten, die aktuell mit der Erkrankung Krebs direkt oder indirekt zu tun haben: Mit rund 54 % stimmten Betroffene zu; 65 % der Menschen, die mit der Erkrankung Krebs im persönlichen Umfeld konfrontiert sind. Dass psychische Belastungen eine maßgebliche Rolle bei der Krebsentstehung spielen, konnte bislang wissenschaftlich nicht überzeugend bestätigt werden. Nur wenn Stress und andere Belastungen dazu führen, dass Menschen vermehrt rauchen, Alkohol trinken und sich ungesund ernähren, besteht nachgewiesenermaßen ein erhöhtes Risiko. Krebsforscher gehen zudem davon aus, dass bei der Entstehung von Krebs in der Regel viele verschiedene Faktoren zusammenspielen.


Verbessert kämpferische Grundhaltung die Prognose?

Doch wie wichtig sind psychische Faktoren im Falle einer Krebserkrankung? Mit 84 % Zustimmung waren sich die Befragten über alle Gruppen hinweg einig, dass eine kämpferische und positive Herangehensweise die Überlebenschancen erhöht. Von den aktuell Erkrankten waren es sogar über 90 %, die dieser Aussage zustimmten. Untersuchungen konnten allerdings bisher keine einheitliche Antwort auf die Frage geben, ob eine bestimmte Art der Krankheitsverarbeitung Krankheitsverlauf oder Überlebenszeit maßgeblich beeinflusst. Um die Erkrankung psychisch möglichst gut zu verkraften, ist es wichtig, dass jeder Betroffene seinen ganz eigenen Weg der Bewältigung findet. Im Verlauf der Krankheit durchleben die meisten unterschiedliche Phasen. Dabei kann eine positive Einstellung hilfreich sein, aber auch das Zulassen von Gefühlen wie Angst, Traurigkeit oder Wut, die eine schwere Erkrankung mit sich bringt.

Das heute überholte Konzept der „Krebspersönlichkeit“ scheint mehrheitlich aus den Köpfen verschwunden zu sein. Von einem ursächlichen Zusammenhang zwischen seelischen Belastungen und Krebs scheinen dagegen viele Menschen überzeugt – auch ohne wissenschaftlichen Nachweis.


Nach einer Mitteilung des Krebsinformationsdienstes des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ)