Zusammenfassung
Boccaccios „Das Dekameron“ ist ein Werk, das im ausgehenden Mittelalter entstand,
aber bereits neuzeitliche Ideen zum Menschen als Individuum enthält. Vor dem Hintergrund
der Kontroverse um den Einfluss der Neuzeit auf Psyche und Psychiatrie und auf das
Konstrukt der Identität untersuchen wir „Das Dekameron“ hermeneutisch mit einem Fokus
auf Beschreibungen einer Gesellschaft im Wandel, der Liebe (als Ausdruck des Individuums),
von seelischem Leiden und der Rolle therapeutischen Handelns. Dabei zeigt sich, dass
es bei Boccaccio ein Interesse an intrapsychischen Vorgängen als Ausdruck der frühen
Neuzeit gibt. Dies wird in Bezug auf Karl Jaspers‘ Ansatz des genetischen Verstehens
diskutiert.
Abstract
“The Decameron” by Giovanni Boccaccio is a work which stands between the Middle Ages
and Modernity. There are theories which postulate that concepts of identity and individuality,
which arose with the dawn of Modernity, have an influence on mental illness. We chose
a hermeneutic approach towards “The Decameron” to analyse the depiction of a changing
society, of love, mental suffering and the role of therapeutic interventions. We conclude
that Boccaccio showed an interest in intrapsychic mechanisms, an idea pertaining to
Modernity, and discuss this idea in light of today’s psychiatry and Karl Jaspers’
concept of “genetic understanding”.
Schlüsselwörter
Neuzeit - Depression - Literatur - genetisches Verstehen - Narzissmus - Karl Jaspers
Key words
modernity - depression - narcissism - genetic understanding - Karl Jaspers - fiction