Fortschr Neurol Psychiatr 2017; 85(11): 656-657
DOI: 10.1055/s-0043-119377
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Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Genveränderung in Mikrogliazellen kann Neurodegeneration hervorrufen


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Publication Date:
22 November 2017 (online)

Eine Genveränderung in Mikrogliazellen kann Auslöser für eine schwere neurodegenerative Erkrankung sein. Dies wiesen Wissenschaftler des Universitätsklinikums Freiburg zusammen mit einem internationalen Wissenschaftlerteam bei Mäusen nach. Ist das sog. Gen BRAF schon in frühen Entwicklungsstadien der Immunzellen weit vor der Geburt verändert, vermehren sich Mikrogliazellen im Erwachsenenalter übermäßig, lösen Entzündungsreaktionen im Gehirn aus und führen schließlich zum Absterben von Nervenzellen. Gaben die Forscher den Tieren einen Hemmstoff gegen das nur in Mikrogliazellen veränderte Molekül BRAF ins Futter, traten die Hirnschäden und Verhaltensänderungen der Mäuse deutlich später und schwächer auf. Auch Menschen mit einer solchen Genveränderung entwickeln im Laufe des Lebens eine neurodegenerative Erkrankung. Inwieweit die neuen Erkenntnisse auf Alzheimer, Parkinson und andere neurodegenerative Krankheiten übertragbar sind, soll in weiteren Untersuchungen geprüft werden.


Gehirne von Patienten mit neurodegenerativen Erkrankungen zeigen neben einem Nervenzellverlust auch eine ausgeprägte Aktivierung von Mikrogliazellen. Unklar war bisher, ob dies Ursache oder Folge der Erkrankung ist und ob dieser Effekt das Gehirn eher schützt oder schädigt. Die Studie bringt erstmals den Nachweis, dass Mikrogliazellen neurodegenerative Krankheiten auslösen können. Gleichzeitig eröffnet sich dadurch ein neuer, sehr interessanter therapeutischer Ansatz.


Für ihre Untersuchung schleusten die Forscher das veränderte BRAF-Gen vor der Geburt der Mäuse in noch nicht ausgereifte Mikrogliazellen ein. Daraufhin entwickelten die Tiere mit 4 bis 5 Monaten erste Lähmungserscheinungen, wie sie auch bei Patienten mit neurodegenerativen Krankheiten auftreten können. Nach 9 Monaten waren die Lähmungen bei mehr als der Hälfte der Tiere sehr stark ausgeprägt und es fand sich ein drastischer Nervenzellverlust. Erhielten die Tiere allerdings früh und regelmäßig einen BRAF-Hemmer über das Futter, zeigte nach 9 Monaten nur eines von 5 Tieren stärkere neurologische Einschränkungen und die Neurodegeneration im Gehirn konnte gestoppt werden.