Aktuelle Dermatologie 2017; 43(11): 457-476
DOI: 10.1055/s-0043-118403
Tagungsbericht
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Frankfurter Dermatologentagung – 1. November 2017

Annual Frankfurt Dermatology Meeting – November 1st, 2017
M. Meissner
Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie, Universitätsklinikum der Johann Wolfgang Goethe-Universität, Frankfurt am Main
,
P. Kleimann
Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie, Universitätsklinikum der Johann Wolfgang Goethe-Universität, Frankfurt am Main
,
M. Wolter
Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie, Universitätsklinikum der Johann Wolfgang Goethe-Universität, Frankfurt am Main
,
R. Kaufmann
Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie, Universitätsklinikum der Johann Wolfgang Goethe-Universität, Frankfurt am Main
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Publication History

Publication Date:
13 November 2017 (online)

Incontinentia pigmenti

B. Malisiewicz

Anamnese Die Vorstellung eines zwei Monate alten Mädchens erfolgte bei streifenförmigen Bläschen, Plaques und warzigen Hyperkeratosen auf teils rötlichem Grund. Hautveränderungen seien bereits kurz nach der Geburt aufgetreten. Laborchemisch lag eine Bluteosinophilie vor. Ex domo erfolgte eine histologische Evaluation, die mit der Verdachtsdiagnose einer Incontinentia pigmenti vereinbar war. Augen-, Zahn- oder ZNS-Anomalien wurden bereits kinderärztlicherseits ausgeschlossen.

Befund Es zeigten sich entlang der Blaschko-Linien angeordnete erythematöse Papeln, Plaques, sowie warzige Hyperkeratosen und Hyperpigmentierungen ([Abb. 1]). An den Füßen lagen Nageldystrophien vor ([Abb. 2]).

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Abb. 1 Blaschkiform angeordnete erythematöse Papeln, Plaques und Hyperpigmentierungen im Intimbereich sowie der unteren Extremität beidseits.
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Abb. 2 Striär angeordnete, hyperkeratotisch-verrukiforme Plaques auf erythematösem Grund an der rechten Großzehe und dem rechten Fußrücken. Zudem leichte Nageldystrophe an der Großzehe.

Diagnostik Zur Diagnosesicherung erfolgte eine humangenetische Abklärung, die eine Mutation im IKBKG-Gen mit einer Deletion im Exon 4-10 nachweisen konnte. Die Abklärung der Mutter fiel unauffällig aus, sodass es sich hier um eine Neumutation handelte. Extrakutane Manifestationen konnten bereits im Vorfeld ausgeschlossen werden.

Therapie Im entzündlichen Stadium erfolgte eine topische Behandlung mit mittelpotenten Steroiden und rückfettenden antiseptischen Externa. Nach Abklingen der Entzündung war eine reine Rückfettung mittels Unguentum emulsificans aquosum ausreichend. Weiterführende Nachsorgen zeigten eine normale Entwicklung ohne Anomalien.

Kommentar Die Incontinentia pigmenti ist eine sehr seltene, genetisch bedingte Erkrankung, die bei 1 von 50 000 Geburten auftritt und fast ausschließlich Mädchen betrifft. Bis auf seltene Ausnahmen (somatischer Mosaizismus, Klinefelter-Syndrom) ist diese Erkrankung für männliche Individuen bereits pränatal tödlich. Ursächlich ist eine autosomal-dominante Mutation im IKBKG-Gen (früher NEMO-Gen), das sich auf Chromosom Xq28 befindet. Zumeist liegt eine Deletion im Exon 4-10 vor. Eine familiäre Häufung ist selten (10 – 25 %). In 64 % handelt es sich um eine Neumutation. In erster Linie liegen kutane Symptome vor, die sich entlang der Blaschko-Linien manifestieren. Hierbei verläuft die Erkrankung in vier Stadien, wobei nicht jedes Stadium durchlaufen wird. Im ersten und entzündlichen Stadium bestehen streifig angeordnete Bläschen oder Pusteln auf erythematösem Grund, die häufig von einer Bluteosinophilie begleitet sind. Es folgt das zweite verruköse Stadium mit warzenartigen Hyperkeratosen. Anschließend kommt es zur Ausbildung von Hyperpigmentierungen (drittes Stadium). Im Erwachsenenalter entstehen streifenförmige Hypopigmentierungen und Atrophien. Neben diesen Stadien kommt es in 50 % zu Haaranomalien und vernarbenden Alopezien. Von besonderer Relevanz sind extrakutane Manifestationen. Hierbei sind neben Zahnanomalien Augenanomalien mit Neovaskularisationen und ZNS-Anomalien mit Krampfanfällen von besonderer Relevanz. Die Diagnose basiert auf dem klinischen Bild und dem Nachweis der Mutation im IKBKG-Gen. Ist eine Mutationsanalyse nicht verfügbar, kann die Diagnose anhand von Major- (kutane Stadien I – IV) und Minorkriterien (extrakutane Befunde) gestellt werden. Hierbei müssen entweder ein Major- und Minorkriterium oder mindestens zwei kutane Stadien vorliegen. Eine humangenetische Abklärung der Mutter wird empfohlen. Die Therapie erfolgt multidisziplinär abhängig von der Signifikanz der kutanen und extrakutanen Manifestationen. Kutan können im entzündlichen Stadien topische Steroide appliziert werden. Bei Bläschen und Erosionen ist eine antiseptische Therapie zur Vermeidung von Impetiginisationen sinnvoll. Prognostisch limitierend ist das Vorliegen und das Ausmaß der extrakutanen Manifestationen. Sollten diese fehlen, ist von einer normalen Lebenserwartung auszugehen.

Literatur

1 Minić S, Trpinac D, Obradović M. Incontinentia pigmenti diagnostic criteria update. Clin Genet 2015; 85: 536 – 542

2 Kaya TI, Tursen U, Ikizoglu G. Therapeutic use of topical corticosteroids in the vesiculobullous lesions of incontinentia pigmenti. Clin Exp Dermatol 2009; 34: 611 – 613


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