Fortschr Neurol Psychiatr 2017; 85(10): 575
DOI: 10.1055/s-0043-118390
Fokussiert
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Internet-basierte Hilfe gegen Heißhungeranfälle

Further Information

Publication History

Publication Date:
10 October 2017 (online)

Menschen mit einer Binge-Eating-Störung essen bei wiederkehrenden Essanfällen unkontrolliert große Mengen an Lebensmitteln, was zu starkem Übergewicht führen kann. Die Anfälle werden meist durch negative Gefühle ausgelöst, die während des Essens unterbrochen werden. Mithilfe einer kognitiven Verhaltenstherapie können die Betroffenen lernen,

  • ihr Essverhalten zu normalisieren,

  • weitere Gewichtszunahmen zu verhindern und

  • mit ihren psychischen Problemen anders als durch Essen umzugehen.

Doch Therapieplätze sind rar. Deshalb wollten Wissenschaftler der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) herausfinden, ob auch ein bestimmtes Selbsthilfeprogramm hilft, das ebenfalls auf der kognitiven Verhaltenstherapie beruht. Dieses nutzt das Internet und beinhaltet ein persönliches erstes Gespräch sowie regelmäßigen E-Mail-Verkehr mit dem Behandler. Dadurch sind die Patienten unabhängig von Ort und Zeit und haben oft weniger Hemmungen, an einem solchen Programm teilzunehmen.

An der vom Bundesministerium für Bildung und Forschung unterstützten Studie nahmen 7 deutsche Zentren mit insgesamt rund 180 Patienten teil. Die Behandlung umfasste 20 wöchentliche Kontakte zu Therapeuten über 4 Monate. Die Hälfte der Teilnehmenden hatte verhaltenstherapeutische Einzelsitzungen mit Therapeuten, die andere Hälfte im Selbsthilfeprogramm Kontakt per E-Mail. Das Ergebnis: Bei allen Teilnehmern verringerten sich die Essanfälle deutlich. Auch weitere Schwierigkeiten wie z. B. depressive Verstimmungen, Ängstlichkeit und die Sorge um das Gewicht nahmen ab.

Die persönliche Therapie wirkte schneller: Direkt nach der Behandlung und 6 Monate später hatten diese Patienten deutlich weniger Essanfälle als die anderen. Doch nach 18 Monaten hatten sich die Effekte angeglichen. Insgesamt hatten sich die Essanfälle bei allen verringert. Somit stellt diese nicht-anonyme internetbasierte Therapie eine gute Alternative zur kognitiven Verhaltenstherapie dar. Sie kann auch genutzt werden, um die Zeit bis zum Beginn einer persönlichen Therapie zu überbrücken. Allerdings müsse beachtet werden, dass Suizidalität und andere schwere psychische Leiden, die bei Personen mit dieser Essstörung vorkommen, in persönlichen Gesprächen besser erkannt und behandelt werden können.

Nach einer Pressemitteilung der Medizinischen Hochschule Hannover