Dtsch Med Wochenschr 2017; 142(14): 1081-1082
DOI: 10.1055/s-0043-113998
Facharztfragen
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43-jähriger Mann mit Schmerzen in der linken Flanke

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Publication Date:
20 July 2017 (online)

Ein 43-jähriger, sonst völlig gesunder Mann klagt über Schmerzen im Bereich der linken Flanke, die schlagartig einsetzten und kolikartigen Charakter annahmen. Sie strahlen Richtung linken Unterbauch aus. Es besteht ein Kollapsgefühl und Brechreiz. Woran denken Sie?
Antwort

Die Schmerzlokalisation in der linken Flanke mit dem schlagartigen Beginn lässt an eine Nierenkolik auf dem Boden einer Nephrolithiasis denken. Differenzialdiagnostisch sind andere Nierenerkrankungen in Erwägung zu ziehen, außerdem vertebragene Schmerzen sowie ein Milzinfarkt.

Kommentar

Differenzialdiagnose des Flankenschmerzes:

  • Links:

    • Nephrolithiasis mit Nierenkolik

    • PN

    • Nierenarterienembolie

    • vertebragene Schmerzen

    • Pleuritis

    • Herpes Zoster

    • Milzinfarkt

  • Rechts:

    • wie links, außer Milzinfarkt

    • Zusätzlich: Gallenkolik

Wie gehen Sie weiter vor?
Antwort

Weitere Abklärung der Verdachtsdiagnose Nierenkolik, außerdem Ausschluss anderer Erkrankungen, d. h. zunächst körperliche Untersuchung, Urinuntersuchung und Sonografie.

Kommentar

Diagnostik bei V. a. Nierenkolik:

  • Körperliche Untersuchung:

    • Nierenlager, einseitig Klopfschmerz

    • Ureterverlauf druckschmerzhaft

    • Untersuchung hinsichtlich vertebragener Ursache, pleuraler Schmerzen, anderer abdomineller Ursachen, gynäkologischer Ursachen

  • Urinstatus:

    • Hämaturie

  • Sonografie:

    • Konkremente

    • Stauung des Hohlsystems

    • sonstige pathologische Befunde im Abdomen

Inwieweit hilft Ihnen die Urinuntersuchung weiter?
Antwort

Eine steinbedingte Kolik geht fast immer mit einer Mikro- oder Makrohämaturie einher.

Kommentar

Urinstix-Untersuchung bei Harnsteinkolik:

Mikrohämaturie in über 90 %.

Können Sie sich eine steinbedingte Nierenkolik ohne Hämaturie erklären?
Antwort

Ja, durch eine komplette Verlegung des betroffenen Harnleiters.

Kommentar

Fehlende Hämaturie bei Harnsteinkolik:

  • sehr selten

  • bedingt durch komplette Harnleiterverlegung

Merke

Nierenkolik ohne Hämaturie → bei kompletter Verlegung des Harnleiters.

Sie führen bei dem Patienten eine Sonografie durch. Diese zeigt einen unauffälligen Befund im Bereich der linken Niere sowie der Harnleiter. Inwieweit beeinflusst das Ihre diagnostischen Überlegungen?
Antwort

Wenn, wie in diesem Falle, der klinische Befund sehr typisch ist und eine Hämaturie vorliegt, beeinträchtigt die unauffällige Sonografie die Diagnose nicht unbedingt. Der Steinnachweis im Harnleiter kann durch Darmgasüberlagerung erschwert sein, die sonografisch erkennbare Stauung des Nierenhohlsystems kann sich u. U. erst nach einigen Stunden einstellen.

Kommentar

Sonografie bei Nierenkolik:

  • Konkrementnachweis ab wenigen Millimeter Größe: kalkdichter Reflex, Schallschatten

  • Stauung des Hohlsystems u. U. erst nach einigen Stunden erkennbar

Cave

Falsch-positiver Befund bei chronischer Harnstauung.

Welches ist die sicherste Methode zum Nachweis einer Urolithiasis?
Antwort

Das Nativ-CT.

Kommentar

Nativ-CT bei Urolithiasis:

  • Standarddiagnostik mit hoher Sensitivität (94 – 100 %) und Spezifität (92 – 100 %) Cave: Auch bei low-dose-Verfahren höhere Strahlendosis als i.v.-Urogramm

Kontraindikationen für Ausscheidungsurogramm:

  • akute Kolik

  • Jodallergie

  • Hyperthyreose

  • Niereninsuffizienz mit Kreatinin > 2 mg/dl

  • Schwangerschaft

  • monoklonale Gammopathie

Sie haben jetzt die typische Klinik, die Hämaturie, eine noch unauffällige Sonografie und keinerlei Anhalt für eine andere Erkrankung. Sie diagnostizieren eine Nierenkolik. Wie können Sie dem Mann helfen?
Antwort

Ich habe 2 Ziele: die Schmerzlinderung und die Beseitigung der Obstruktion durch den Stein.

Kommentar

Therapie bei Nierenkolik:

  • medikamentöse Schmerzbekämpfung

  • Trinkmenge steigern

  • Interventionelle Steintherapie: extrakorporale Stoßwellenlithotripsie, Steinextraktion über Ureterkatheter u. a.

Die Intervention werden Sie ja wahrscheinlich dem Urologen überlassen. Wie können Sie dem Mann internistisch medikamentös helfen?
Antwort

Im Vordergrund steht die Schmerzmedikation mit peripher wirkenden Schmerzmitteln, bei Bedarf auch Opiaten. Zusätzlich werden Spasmolytika gegeben.

Kommentar

Medikamentöse Behandlung der Nierenkolik:

  • Peripher wirksame Schmerzmittel:

    • NSAR, z. B. Diclofenac 50 – 100 mg rektal (Cave: Nephrotoxizität)

    • Metamizol 0,5 – 1 g p. o.

  • Zentral wirksame Schmerzmittel:

    • Tramadol

    • Pentazocin

    • Pethidin

  • Spasmolytika:

    • Diese werden zwar verabreicht, allerdings sollte bedacht werden, dass der Kolikschmerz nicht durch einen Spasmus der Harnleitermuskulatur entsteht, sondern durch eine Überdehnung der Wand des Nierenhohlsystems bzw. des Harnleiters.

Können Sie eigentlich erwarten, in der röntgenologischen Abdomenübersichtsaufnahme einen Stein zu erkennen?
Antwort

Oft ja, abhängig von der Steinzusammensetzung und der Projektion.

Kommentar

Abdomenübersichtsaufnahme bei Urolithiasis:

  • Steinzusammensetzung:

    • Kalziumoxalat: 65 – 70 % aller Steine, schattengebend

    • Kalziumphosphat: 5 – 10 % aller Steine, schattengebend

    • Magnesiumammoniumphosphat: ca. 5 % aller Steine, schwach schattengebend

    • Cystin: ca. 1 % aller Steine, schwach schattengebend

    • Harnsäure: 10 – 15 % aller Steine, nicht schattengebend

  • Projektion:

    • bei Projektion schwach schattengebender Konkremente auf Knochen u. U. falsch-negative Befunde

  • Falsch-positive Befunde:

    • Gefäßkalk

    • Cholelithiasis

Kennen Sie andere Ursachen als Steine, die zu Koliken im Bereich der ableitenden Harnwege führen können?
Antwort

Ja, insbesondere Blutkoagel, aber auch Gewebeabgänge nach Papillennekrosen.

Kommentar

Ursachen für eine Kolik im Bereich der ableitenden Harnwege:

  • Harnsteine

  • Blutkoagel: Antikoagulanzien, Nierenverletzungen

  • Gewebepartikel: Tumoren im Bereich der ableitenden Harnwege, Papillennekrose

  • Fehlbildungen mit Abknickung des Harnleiters

Ein Patient klagt über beidseitige Flankenschmerzen. Glauben Sie, dass ein Steinleiden die Ursache sein kann?
Antwort

Es ist vorstellbar, jedoch äußerst unwahrscheinlich.

Kommentar

Eine beidseitige Nierenkolik auf dem Boden eines Steinleidens ist eine Rarität.

Sie haben den o. g. Patienten nun ausreichend behandelt, der Stein ist abgegangen, und der Patient ist wieder beschwerdefrei. Was raten Sie ihm für die Zukunft?
Antwort

Wichtigste Maßnahme: viel trinken, außerdem Restriktion des Fleischkonsums.

Kommentar

Vorgehen nach Urolithiasis:

  • Rezidivquote unbehandelt > 50 %

  • Trinkmenge erhöhen

  • Fleischkonsum reduzieren

  • Ausschluss eines HPT bei kalziumhaltigen Steinen und Phosphatsteinen

  • Neutralisierung des Urins bei Harnsäuresteinen (pH 6,5 – 7)

Nach: Berthold Block,

Facharztprüfung Innere Medizin,

3000 kommentierte Prüfungsfragen.

5., vollständig überarbeitete Auflage 2017

ISBN 9783 131 359 551