Fortschr Neurol Psychiatr 2017; 85(07): 373-374
DOI: 10.1055/s-0043-113319
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Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Starke Belege: Parkinson könnte im Verdauungstrakt beginnen

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Publikationsdatum:
02. August 2017 (online)

Die Verbindung zwischen Darm und Gehirn haben Parkinson-Forscher schon länger im Visier. Dieses Modell zum Krankheitsverlauf, die Aszensionshypothese, geht davon aus, dass Parkinson zumindest teilweise im Verdauungstrakt beginnt. Der Zusammenhang zwischen Bauch und Hirn wurde jetzt von schwedischen Forschern bestätigt. „Die neue Studie stützt die Hypothese, dass die Parkinson-Krankheit im Magen entsteht und sich über die Nervenbahnen ins Gehirn ausbreitet“, so Prof. Dr. Daniela Berg von der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN). Berg ist Direktorin der Klinik für Neurologie am Campus Kiel des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein: „Die neue Studie hat zwar keine unmittelbaren Konsequenzen für die Therapie“, sagt sie – „aber sie zeigt uns, dass wir bei der Erforschung neuer Behandlungsoptionen den richtigen Weg eingeschlagen haben.“ Die Parkinson-Krankheit ist nach der Alzheimer-Krankheit die zweithäufigste neurodegenerative Erkrankung. Weltweit leben rund 4,1 Millionen Menschen mit ihr – allein in Deutschland sind mehr als 280 000 Personen betroffen.

Modell deutscher Neurologen

Die Aszensionshypothese wurde maßgeblich vom Frankfurter Neuroanatom Professor Heiko Braak entwickelt. Er arbeitet seit 2009 am Zentrum für Biomedizinische Forschung des Uni-Klinikums in Ulm. Die Forschungsgruppe um den Direktor der Klinik für Neurologie an der TU Dresden, Professor Heinz Reichmann, konnte sie im Tiermodell bestätigen. Eine Schlüsselrolle spielt das fehlgefaltete Eiweißmolekül Alpha-Synuklein, das sich bei der Parkinson-Erkrankung typischerweise in den erkrankten Gehirnzellen ablagert. Ablagerungen von Alpha-Synuklein entstehen – womöglich durch den Einfluss von Umweltgiften – aber auch im Nervensystem des Magens und des Darms. Von dort aus, so die Hypothese, klettern die Ablagerungen ins Gehirn. Dabei nutzen sie den Vagusnerv und seine Verästelungen wie eine Steigleiter. Frühere Untersuchungen an Mäusen haben gezeigt: Kappt man diesen Nerv, wird der Krankheitsprozess zumindest verlangsamt.


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Vagotomie bremst Parkinson

Für die Untersuchung, die aktuell in der Fachzeitschrift „Neurology“ veröffentlicht wurde, nutzten schwedische Forscher eine nationale Gesundheitsdatenbank. So fanden sie alle Patienten, die sich einer Vagotomie unterzogen hatten – eine Prozedur, die früher oft zur Behandlung von Magengeschwüren angewandt wurde, um die Produktion von Magensäure zu blockieren. Die Wissenschaftler verglichen die Häufigkeit von Parkinson-Erkrankungen unter Patienten, deren Vagusnerv ganz oder teilweise getrennt worden war, mit einer Kontrollgruppe aus der Bevölkerung.

  • Von 9430 Patienten, die eine Vagotomie hinter sich hatten, erkrankten 101 an Parkinson (1,07 %). In der Allgemeinbevölkerung lag die Rate bei 1,28 %.

  • Nochmals deutlicher wurde dieser Trend, als die Forscher sich auf Patienten konzentrierten, deren Vagusnerv vollständig durchtrennt worden war: Gegenüber der Kontrollgruppe war das Parkinson-Risiko nach einer vollständigen Vagotomie um 22 % geringer. Lag der Eingriff bereits mind. 5 Jahre zurück, war das Risiko sogar um 41 % geringer.

Ganz ähnliche Ergebnisse hatte bereits 2 Jahre zuvor eine dänische Arbeitsgruppe veröffentlicht, nachdem man sämtliche 14 883 Vagotomien des Landes zwischen den Jahren 1977 und 1995 ausgewertet hatte.

Nach einer Pressemitteilung der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN)


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