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DOI: 10.1055/s-0043-113217
Anti-Depressiva: Schwerwiegende Folgen und Mortalität nach Überdosis
Publication History
Publication Date:
07 September 2017 (online)
Depressive Störungen erhöhen das Selbstmord-Risiko. Da Medikamente, die zur Behandlung von Depressionen verschrieben werden, bei Überdosierung tödlich sein können, ist es wichtig, die relativen Risiken der einzelnen Substanzen zu kennen. Amerikanische Forscher haben jetzt Morbidität und Mortalität für 48 der in den USA gegen Depressionen verwendeten Medikamente über einen Zeitraum von 15 Jahren untersucht.
Nelson et al. analysierten alle bei der nationalen Giftnotrufzentrale der USA zwischen 2000 und 2014 gemeldeten Fälle von Medikamentenvergiftung mit Psychopharmaka. Sie berücksichtigten dabei nur Patienten mit einem Mindestalter von 12 Jahren, um den Einfluss von unbeabsichtigten Einnahmen gering zu halten. Zu den 48 ausgewählten Medikamenten gehörten Antidepressiva, Antipsychotika, Antiepileptika, Lithium und andere gegen Depressionen eingesetzte Mittel. Endergebnisse der Studie waren Morbidität und Mortalität nach Vergiftung mit dem jeweiligen Medikament. Die Forscher berechneten als Morbiditätsindex die Anzahl der Fälle mit schwerwiegenden (tödlichen, schweren und moderaten) Folgen bezogen auf die Gesamtzahl x1.000. Den Mortalitätsindex ergab die Anzahl der Todesfälle pro Gesamtzahl × 10.000.
Während des Zeitraums von 15 Jahren wurden 962 222 Vergiftungen mit den untersuchten Substanzen registriert. Das mittlere Alter der Patienten lag bei 35,8 Jahren, 62,8 % waren Frauen. Die Anzahl vermuteter Selbstmordversuche lag bei 51,4 % der gesamten, 66,9 % der schwerwiegenden und 74,1 % der tödlichen Fälle. Vergiftungen mit schwerwiegenden Folgen nahmen während der 15 Jahre linear um das 2,26-fache zu. Im Vergleich dazu stieg die Zahl der weniger schweren Fälle nur um den Faktor 1,31.
Wie aus anderen Studien erwartet, zeigten trizyklische Antidepressiva und Monoaminooxidase-Hemmer (MAOI) die höchsten Morbiditäts- und Mortalitätsraten. Vergiftungen durch trizyklische Antidepressiva erfolgten in zwei Drittel der Fälle mit Amitriptylin. Das Präparat verursachte 145 Todesfälle, ein Anteil von 39,5 % aller durch Antidepressiva registrierten Todesfälle der Studie. Auch einige Antidepressiva der zweiten Generation führten zu schwerwiegenden Folgen. Die Studie ergab hohe Morbiditätsindizes für Lithium, Quetiapin, Olanzapin, Bupropion und Carbamazepin. Hohe Mortalitätsindizes ermittelten die Wissenschaftler für Lithium, Venlafaxin, Bupropion, Quetiapin, Olanzapin, Ziprasidon, Valproinsäure, Carbamazepin und Citalopram.
Ärzte sollten bei der Behandlung von Depressionen die unterschiedlichen Risiken der einzelnen Medikamente nach Überdosierung stärker berücksichtigen, vor allem bei Patienten mit erhöhter Selbstmord-Gefahr, so die Autoren. Zum Beispiel werde Amitriptylin immer noch häufig verschrieben, obwohl es unter den Antidepressiva für die meisten Todesfälle nach Überdosis verantwortlich ist. Die Studie liefere wertvolle Daten, um eine genauere Abwägung bei der Auswahl der Therapeutika zu ermöglichen.
Dr. Ellen Kilger, Tübingen