Z Sex Forsch 2017; 30(02): 196-200
DOI: 10.1055/s-0043-109204
Nachruf
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Claus Buddeberg (14. Februar 1946 – 02. Februar 2017)

Ruth Gnirss-Bormet
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Publication Date:
23 June 2017 (online)

Claus Buddeberg ist am 02.02.2017 im Alter von fast 71 Jahren nach einem reichen, erfüllten Leben viel zu früh in der Folge einer schweren Krankheit gestorben. In der Kirche Fraumünster in Zürich fand am 14.02.17 die Abdankung statt. Im Kreise seiner Familie, seiner Freunde und KollegInnen wurde an Claus Buddeberg in seinen vielfältigen Begegnungen und Beziehungen erinnert – als Ehemann, Vater, Großvater, Freund, Mentor und Therapeut. Er wurde dabei mit seinen Fähigkeiten, seinen Eigenheiten, seinem Humor, seiner Herzlichkeit und seiner Freude an der Begegnung und am Leben berührend gegenwärtig.

Mit Claus Buddeberg ist ein überzeugter Wegbereiter der Psychosozialen Medizin, der Psychosomatik und der Sexualmedizin gestorben. Sein Leben lang wusste er sein großes Interesse am Mitmenschen, seine wissenschaftliche Neugier, seine Fähigkeiten als Therapeut, Lehrer und Mentor miteinander zu verbinden. Claus Buddeberg hinterlässt seine Frau Barbara, einen Sohn und eine Tochter sowie drei Enkel, mit denen er liebend gerne Zeit verbrachte. Seiner Familie gilt unser Mitgefühl.

Bis zu seiner schweren Erkrankung im letzten Jahr arbeitete er mit großer Freude als Therapeut und Supervisor gemeinsam mit seiner Ehefrau Barbara Buddeberg-Fischer in einer Gemeinschaftspraxis in Zürich.

Claus Buddeberg wurde 1946 in Säckingen nahe der Schweizer Grenze als Sohn eines Landarztes geboren. Das Familienleben war bestimmt durch die hausärztliche Praxis, die Mutter unterstützte den Vater – wie es damals üblich war – bei der Praxisorganisation. Früh durfte er den Vater bei Hausbesuchen über Land in die umliegenden Dörfer begleiten. Er schätzte diese Zeit mit dem Vater, die Gespräche, die Hausbesuche, erlebte die PatientInnen in ihrer unmittelbaren Lebenswirklichkeit, in ihrem Zuhause. Seine Studienjahre der Medizin und Soziologie verbrachte er in Tübingen, Lausanne und Hamburg. In Hamburg lernte er Professor Giese und die Abteilung für Sexualforschung kennen. Er war beeindruckt von dieser Begegnung. Hier wurde sein Interesse an klinischen und wissenschaftlichen Fragestellungen rund um das Thema Sexualität geweckt, das ihn bis zum Ende seines Lebens begleiten sollte.

Bereits im Studium lernte er seine Kommilitonin und spätere Ehefrau Barbara kennen. Mit ihr gemeinsam übersiedelte er nach dem Studium in die Schweiz. Entgegen der familiären Erwartungen war Claus Buddeberg entschieden, Psychiater zu werden, und begann seine Facharztausbildung an der Psychiatrischen Universitätsklinik Burghölzli in Zürich. Nach weiteren Assistentenjahren auf der Neurologie wechselte er an die Psychiatrische Poliklinik am Universitätsspital Zürich und leitete dort zunächst die Psychotherapiestation. Gemeinsam mit Jürg Willi und Edgar Heim entwickelte er die Inhalte des für die Schweiz damals innovativen Studienfachs „Psychosoziale Medizin“. Dieses Fach vermittelt den MedizinstudentInnen unter anderem Grundlagen ärztlicher Kommunikation sowie soziale und ethische Aspekte von Gesundheit und Krankheit im Lebenslauf. 1983 habilitierte sich Claus Buddeberg und begann mit dem Ausbau der Konsiliar- und Liaisonpsychiatrie am Universitätsspital Zürich. Er engagierte sich dabei für eine gute PatientInnenversorgung, die die psychosoziale Unterstützung im Kontext einer Krankheit mit einschloss. Nicht selten fungierte er bei dieser Arbeit als Übersetzer und Mittler: indem er die Anliegen der PatientInnen hörte, ernst nahm und in die Therapieplanung einfließen ließ. Die Arbeit im Krankenhaus, der Austausch mit den somatischen Behandlungsteams und die direkte Begegnung mit den PatientInnen blieben ihm ein wichtiges Anliegen. Auch als er 1989 Leiter der Abteilung für Psychosoziale Medizin wurde, arbeitete er weiter im Konsiliar- und Liaisondienst des Universitätsspitals mit. Nach einem Studienaufenthalt in den USA 1993 initiierte er die Gründung eines interdisziplinären Kompetenzzentrums für psychosoziale Forschung und leitete vielfältige Forschungsprojekte, etwa zur verbesserten psychosozialen Behandlung bei Krebserkrankungen, zur psychosozialen Beratung und Betreuung im Rahmen der Transplantationsmedizin und mit besonderer Freude zu verschiedenen Themen im Bereich der Sexualmedizin.

Claus Buddeberg überzeugte durch seine Freude am beruflichen Wirken, er überzeugte durch sein Vorbild als Therapeut. Man durfte ihm beim Arbeiten über die Schulter schauen. Nicht selten referierte er in Fortbildungen auch über Fälle, in denen er Fehler gemacht hatte, weil ihm ein offener Umgang mit Fehlern und das Lernen aus Fehlern ein so wichtiges Anliegen war. Er war ein begeisterter Lehrer, Video-Ausschnitte von Gesprächen verdeutlichten seine ressourcenorientierte Gesprächsführung. Er lud PatientInnen in seine Vorlesungen ein, um über ihre Erfahrungen mit ihren Erkrankungen sowie über ihre Anliegen bezüglich ihrer Behandlung zu sprechen. Ein besonderes Steckenpferd waren ihm seine Fortbildungen, zunächst „Hausarztkurse“ genannt: hier lud er praktisch tätige ÄrztInnen ein, sich mit psychosomatischen Fragestellungen, einschließlich sexueller Fragestellungen, vertraut zu machen und im Austausch mit KollegInnen eine etwas andere medizinische Identität einzuüben. Seinen OberärztInnen, so auch mir, ermöglichte er, Unterrichtserfahrungen zu sammeln, indem er uns einlud, an diesen Kursen zunächst mit ihm gemeinsam als ReferentInnen teilzunehmen. Sein wohlwollendes, aber präzises Feedback half uns, Sicherheit im Unterrichten zu gewinnen. Für die Lehre und im Bereich der Forschung arbeitete Claus Buddeberg eng mit anderen humanwissenschaftlichen Fachgebieten zusammen. Ein interdisziplinärer Ansatz verband die biomedizinische Ethik, die Sozial- und Präventivmedizin. Oft wurde dieses gemeinsame Arbeiten vom Aufbau guter Freundschaften unterstützt und begleitet.

Claus Buddeberg war ein Mann, der äußerst schnell komplexe Situationen erfassen und auf die wichtigsten Themen reduzieren konnte. Auch im Hinblick auf seine MitarbeiterInnen erfasste er schnell, mit wem er „das Heu auf der gleichen Bühne hatte“, wie man das in der Schweiz ausdrückt. Wurde man als MitarbeiterIn „gewählt“, war er ein väterlicher Mentor und Vorgesetzter, der ermutigte, der Entwicklung forderte und förderte, der mit seinen Interessen ansteckend wirkte und den gemeinsamen Austausch pflegte. Er führte familienfreundliche Arbeitsbedingungen ein, und es war ihm wichtig zu wissen, wie es uns gelang, Familie und Beruf zu vereinbaren.

Gemeinsam mit seinen OberärztInnen entwickelte er in den 1990er-Jahren einen zweijährigen berufsbegleitenden Kurs in Psychosomatischer und Psychosozialer Medizin für HausärztInnen, GynäkologInnen, InternistInnen und andere GrundversorgerInnen. Aus diesem Kurs hat sich inzwischen das Institut für Humanwissenschaftliche Medizin (IHM) entwickelt. Die Kurse wurden in Zusammenarbeit mit der medizinischen Fakultät der Universität Zürich zu einem zertifizierten Lehrgang. Außerdem war Claus Buddeberg Mitbegründer der Schweizerischen Akademie für Psychosomatische und Psychosoziale Medizin (SAPPM). Lange Zeit war er Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats der Zeitschrift für Sexualforschung. Er führte selbst über einige Jahre sexualmedizinische Curricula in Zürich durch. Diese Arbeit machte ihm große Freude – er „leistete“ es sich, in kleinen Gruppen intensiv zu arbeiten und sein großes sexualtherapeutisches Wissen an interessierte KollegInnen weiterzugeben. Aus diesen Curricula entwickelten sich mehrere fallbezogene Supervisionsgruppen, die sich nach den Kursen oft noch jahrelang trafen. Auf diese Weise konnte er die sexualmedizinische Versorgung in der Schweiz deutlich verbessern. Diese gemeinsamen Aktivitäten, meist verbunden mit einem guten gemeinsamen Mittagessen, halfen mit, den Austausch auch über die Distanz lebendig zu halten.

2001 übernahm Claus zusätzlich zur Leitung der Abteilung für Psychosoziale Medizin die Leitung der neuen Abteilung für Psychosomatische Medizin an der Zürcher Höhenklinik in Davos und entwickelte mit seinen KollegInnen ein interdisziplinäres Behandlungsprogramm für PatientInnen mit psychosomatischen Erkrankungen und Schmerzerkrankungen.

Claus Buddeberg liebte den Dialog, und er liebte es auch, seine Überlegungen und Erkenntnisse zu verschriftlichen. Das Publizieren und damit der Austausch und die Diskussion eigener Arbeits- und Forschungsergebnisse waren ihm eine Freude, weil sich damit die Zahl möglicher DialogpartnerInnen und sein Wirkungskreis erhöhten. Seine Erfahrungen in der Sexualmedizin konnte er erstmals 1983 in einem Buch „Sexualberatung“ zusammenfassen, welches inzwischen in der 4. Auflage erschienen ist. Das Schreiben erledigte er – wie so viele Aufgaben – speditiv. Und speditiv war eines der Lieblingswörter von Claus: es bedeutete für ihn, dass man relativ bald und ohne allzu viele Bedenken mit der Verwirklichung eines Vorhabens beginnen sollte – darauf hoffend, dass der Flow sich beim Tun einstellen wird und Korrekturen ja auch immer noch möglich sind.

Im Bereich der Sexualmedizin beschäftigten Claus Buddeberg vielfältige Fragestellungen, sowohl im praktischen Tun als auch in der Forschung. Davon zeugen seine zahlreichen Veröffentlichungen. So beschäftigte ihn, wie sich schwere Erkrankungen auf das sexuelle Erleben auswirken, wie Sexualität aber auch eine wichtige Ressource bei der Krankheitsbewältigung sein kann. Ihn interessierte, wie gut die sexualmedizinische Betreuung in der Schweiz war, inwieweit Ärzte und Ärztinnen sich darin unterschieden, Sexualität im ärztlichen Gespräch zum Thema zu machen bzw. sich dazu weiterzubilden. Er wollte die individuellen, paardynamischen und soziokulturellen Hintergründe von Lustlosigkeit und Erektionsstörungen untersuchen und verstehen. Er forschte zu den Determinanten sexueller Zufriedenheit in der zweiten Lebenshälfte. Claus Buddeberg organisierte mehrere große sexuologische Symposien mit internationalen SexualforscherInnen, zum Thema „Sexualität im Wandel“ organisierte er eine Ringvorlesung an der Uni und ETH Zürich.

Meine erste Begegnung mit Claus Buddeberg liegt nun fast schon 25 Jahre zurück. Claus leitete seit 1989 die interdisziplinäre Sexualmedizinische Sprechstunde am Universitätsspital Zürich. Die von ihm sehr geschätzte langjährige Oberärztin der Sexualmedizinischen Sprechstunde, Dr. Vreni Middendorp, verabschiedete sich 1993 in den Altersruhestand. Claus Buddeberg entschied sich, mich als ihre Nachfolgerin einzustellen. Er unterstützte meinen Plan, in Hamburg die Paartherapieausbildung nach dem Hamburger Modell zu absolvieren, um mich für diese Aufgabe weiterzuqualifizieren. Außerdem schlug er mir vor, bei ihm eine Dissertation über Erektionsstörungen zu schreiben, ein Thema, zu dem er forschen wollte. Auf diese Weise könne ich mich auch gleich mit sexualmedizinischem Denken vertraut machen. Seine Anregungen und seine Unterstützung waren mir sehr wertvoll, und während der Dissertation wuchsen das gegenseitige Vertrauen und die Wertschätzung. Von 1994 bis 2004 arbeitete ich unter seiner Leitung als Oberärztin der Sexualmedizinischen Sprechstunde Zürich. In regelmäßigen Fallbesprechungen diskutierten wir unsere Hypothesen zur Symptomentstehung und zur Funktion eines sexuellen Symptoms und unsere gelegentlich auch recht unterschiedlichen Positionen und therapeutischen Überlegungen. Auch nach 2004 blieben wir im Austausch: wir diskutierten eigene Artikel, versorgten uns gegenseitig mit Literaturhinweisen und hielten uns gegenseitig über unsere Projekte auf dem Laufenden. Ich bin ihm sehr dankbar für all das, was ich von ihm lernen konnte und mit ihm erlebt habe – und ich vermisse ihn. Gleichzeitig ist es ein Trost zu spüren, dass er so viele Spuren hinterlassen hat und damit noch gegenwärtig ist, für mich und für viele andere Menschen.

Ruth Gnirss-Bormet (Kassel)

 
  • Ausgewählte Publikationen von Claus Buddeberg

  • Bucher T, Hornung R, Buddeberg C. Sexuelle Zufriedenheit in der zweiten Lebenshälfte – Ergebnisse einer empirischen Untersuchung. Z Sexualforsch 2003; 16: 249-270
  • Buddeberg C. Hrsg. Psychosoziale Medizin (3. Aufl.). Berlin, Heidelberg, New York: Springer; 2004
  • Buddeberg C. Sexualberatung – Eine Einführung für Ärzte, Psychotherapeuten und Familienberater (4. Aufl.). Stuttgart: Thieme 2005;
  • Buddeberg C, Bass B, Gnirss-Bormet R. Die lustlose Frau, der impotente Mann. Familiendynamik 1994; 3: 266-280
  • Gnirss-Bormet R, Sieber M, Buddeberg C. Sexualmedizinische Diagnostik und Therapie von Erektionsstörungen in einer Spezialsprechstunde. Z Sexualforsch 1995; 8: 12-23
  • Hornung R, Buddeberg C, Bucher T. Hrsg. Sexualität im Wandel. Zürich: vdf Hochschulverlag; 2004
  • Sigg M, Klaghofer R, Imthurn B. et al. Sexualmedizinische Behandlungsfälle – Entwicklungen 1980–1990–2004. Praxis 2010; 99: 481-486