Laryngorhinootologie 2017; 96(09): 653-654
DOI: 10.1055/s-0043-109190
Facharztfragen
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Publication Date:
07 September 2017 (online)

Immunonkologie

Sprechen Sie über die neuen Therapieverfahren der Immunonkologie mit Checkpointinhibitoren!

Antwort: In den letzten Jahren wurden Therapeutika entwickelt, die in die Interaktion zwischen Tumor und Immunsystem eingreifen. Im Gegensatz zu den konventionellen Chemotherapeutika, die gegen die Tumorzellen selbst gerichtet sind, greifen die Immunonkologika in die tumorinduzierte Suppression des Immunsystems ein.

Die Entstehung maligner Tumoren erfolgt in phasenweisen, teils sequentiell, teils unabhängig voneinander ablaufenden Prozessen. In der Eliminationsphase werden durch das Immunsystem mutierte Zellen erkannt und zerstört. In der Gleichgewichtsphase überleben mutierte Zellen; die Kontrolle durch das Immunsystem überwiegt aber noch, so dass kein Tumorwachstum erfolgt. In der dritten Phase überleben die Tumorzellen durch die Inhibition der immunogenen Aktivität der Immunzellen. Dabei kommt es zu einer Modulierung körpereigener regulatorischer Prozesse durch die Tumorzellen mit Suppression des Immunsystems. Normalerweise identifiziert das Immunsystem körperfremde oder mutierte Zellen und eliminiert diese. Einen wesentlichen Anteil an der spezifischen Immunantwort haben die T-Zellen. Dabei werden Tumorzellen durch T-Zellen zerstört, wenn diese durch die Antigenpräsentation über die Haupthistokompatibilitätskomplexe (MHC)-I oder -II aktiviert werden. Diese Aktivierung der TZellen ist für die Eliminationsfunktion essentiell. Für die Regulierung der Immunantwort, um zum Beispiel eine Überreaktion zu vermeiden, gibt es auf den T-Zellen hemmende Rezeptoren als Transmembranproteine. Diese sogenannten Checkpoints verhindern die Aktivierung der TZelle. In der Immunonkologie werden zum Beispiel die Rezeptoren CTLA-4 und PD-1 als Zielstrukturen genutzt. Wird der PD-1 (programmed cell death protein 1) Rezeptor aktiviert, wird die Apoptose regulatorischer T-Zellen reduziert, die Immunantwort also inhibiert. Die Aktivierung des CTLA-4 (cytotoxic T-lymphocyte-associated protein 4) Rezeptors führt zu einer Downregulation der Proliferation der aktivierten TZelle durch Beeinflussung der Interaktion zwischen T-Zelle und Antigen-präsentierender dendritischer Zelle. Die immunonkologischen Therapeutika sind wiederum Inhibitoren dieser Checkpointrezeptoren, so dass die Downregulation der Immunantwort wieder aufgehoben wird.

Der CTLA-4-Inhibitor Ipilimumab war der erste zugelassene Vertreter der sogenannten Checkpointinhibitoren für die Behandlung des inoperablen malignen Melanoms. Nivolumab und Pembrolizumab sind zugelassene PD-1-Checkpointinhibitoren. Sie sind zugelassen als Monotherapie oder in Kombination mit Ipilimumab bei der Behandlung des fortgeschrittenen (nicht resezierbaren oder metastasierten) malignen Melanoms, für die Behandlung des fortgeschrittenen nichtkleinzelligen Bronchialkarzinoms und des fortgeschrittenen Nierenzellkarzinoms. Derzeit laufen Studien zur Wirksamkeit bei Leberzellkarzinom, Urothelkarzinom und Plattenepithelkarzinom des Kopf-Hals-Bereiches. Weitere Studien versuchen mit verschiedenen Kombinationen aus Radiatio, Chemotherapie und immunonkologischen Therapeutika die Ansprechrate zu verbessern oder durch Bestimmung des Rezeptorstatus eine Selektion geeigneter Tumoren zu erreichen. Im Kopf-Hals-Bereich zeigen bisherige Studien zu PD-1-Checkpointinhibitoren bei Patienten mit weit fortgeschrittenen Plattenepithelkarzinomen in einer Palliativsituation im Vergleich zur Standardtherapie eine Verlängerung des Überlebens. Im Gegensatz zu bisherigen Chemotherapien ist das Ansprechen langsamer, teilweise auch nach dem Phänomen eines sogenannten Pseudoprogresses. Unter der Checkpointinhibitortherapie kann es zu immunvermittelten Nebenwirkungen an allen Organsystemen kommen. Vorrangig sind Haut (Exanthem), Darm (Diarrhö, Kolitis), Leber (Hepatitis), Lunge (Pneumonitis), endokrines System (Hypophysitis, Hyper- und Hypothyreose) und Niere (Nephritis) betroffen. Die Therapie der Nebenwirkungen erfolgt mit Kortison (topisch, systemisch), bei schweren Verlaufsformen mit Immunsuppressiva.