Fortschr Neurol Psychiatr 2017; 85(07): 380
DOI: 10.1055/s-0043-108638
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Das Rätsel Schizophrenie: Eine Krankheit wird entschlüsselt

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Publikationsdatum:
02. August 2017 (online)

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Prof. Dr. med., Dr. phil und Dr. hc. mult. Heinz Häfner ist der emeritierte Direktor des Zentralinstituts für Seelische Gesundheit in Mannheim, sozusagen das Deutsche NIMH. Er legt ein „Einmännerbuch“ vor, d.h. musste nicht die Wünsche oder Eigenheiten zahlreicher Coautoren berücksichtigen. Dem Risiko, den Zeitgeist oder die positiven Aspekte der Teamarbeit zu verlieren, ist er jedoch entronnen. Etwas reißerisch erscheint damit nach 2005 auf 508 Seiten die vierte Auflage seines umfassenden Schizophreniebuchs unter dem Titel „Das Rätsel Schizophrenie – Eine Krankheit wird entschlüsselt“ im C.H. Beck-Verlag aus München. Wer nun aber nach dem Äußeren ein populärwissenschaftliches Fachbuch erwartet, wird enttäuscht und schon nach wenigen Seiten am Niveau und der Differenziertheit des Buches scheitern. Wer jedoch nach einer Lektüre einer Übersichtsarbeit aus dem New England Journal oder Lancet immer noch Wissenshunger hat, wem allgemeine Aussagen wie Lebenszeitprävalenz von 1% nicht genug, hat, wird belohnt mit diesem überragenden Buch zur wahrscheinlich „Psychiatrischsten“ aller psychischen Erkrankungen. Mit unglaublich sowohl breitem als auch tiefgehendem Fachwissen führt Häfner in das Thema ein. Die Krankheitsgeschichten gehen gerne auch einmal über 2-3 kleingedruckte Seiten, nicht wie die „Häppchen“ oder Fallvignetten in anderen Büchern. Ausführlich schildert er die Geschichte der Schizophrenie und ihrer Behandlung, ohne sich in alten Bildern und Texten zu verlieren. Natürlich stammen viele der Abbildungen aus der aktiveren Forschungszeit von Prof. Häfner. Dies ist jedoch gar kein Mangel des Buchs, da die relevanten Studien oft bis heute Geltung haben. Des Weiteren wären viele Studien in der heutigen MRT- und Genetik-lastigen schlicht nicht mehr durchführbar. Ausführlich würdigt er die Psychopathologie, Häufigkeit, den Verlauf und die Risikofaktoren und betont immer wieder die große Varianz der Erkrankung und die Limitationen der Forschung zu diesem Thema. Hier und dort würde man sich in den Erörterungen dann am Ende der ausführlichen Kapitel eine Zusammenfassung wünschen.

Insgesamt ist das Buch im deutschsprachigen Raum einzigartig. Durch die Einbindung neuester Ergebnisse, v.a. der Genetik, hat Häfner bewiesen, dass er bis heute versucht, das Phänomen Schizophrenie umfassend zu verstehen als auch auf immer noch höchstem Niveau zusammenfassen kann. Jeder psychiatrische Facharzt, der ein profundes Verständnis dieser vermutlich wichtigsten psychischen Störung entwickeln will, sei das Buch empfohlen, um seine Kenntnisse zu vertiefen und auf den aktuellen Stand zu bringen, ohne die Grundlagen zu vernachlässigen.

Prof. Dr. med. Markus Weih, Erlangen