Dialyse aktuell 2017; 21(03): 107
DOI: 10.1055/s-0043-108098
Editorial
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Raus aus der Talsohle?

Christian Schäfer
1   Stuttgart
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Publication Date:
18 April 2017 (online)

Die Zahl der Organspender in Deutschland ist anhaltend niedrig: Laut der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO) wurden 2016 nur 857 klinisch für tot erklärten Menschen Organe zwecks einer Spende entnommen. Es könnte Zufall sein, aber der sog. „Organspendeskandal“ im Jahr 2012 koinzidiert mit dem Rückgang der Spenderzahlen von je mindestens 1200 Spendern in den Jahren 2010 und 2011 auf 1046 im Jahr 2012. Seit 2013 halten sich die Zahlen mehr oder weniger konstant bei unter 900 postmortalen Spendern pro Jahr. Das entspricht im Jahr 2016 nur 2867 postmortalen Organspenden. Demgegenüber stehen mehr als 10 000 schwer erkrankte Menschen auf der Warteliste. Diese benötigen die Spenderorgane bekanntermaßen dringend, um die Chance zu haben, der lebensbedrohlichen Situation zu entkommen. Diese Faktenlage ist äußerst unbefriedigend und beunruhigend.

Leider haben sich die in den letzten Jahren umgesetzten potenziell vertrauensbildenden und informativen Maßnahmen nicht auf die Spenderzahlen ausgewirkt. So hängen wir weiter in der Talsohle fest, weitere Bemühungen in Richtung einer Besserung der Situation sind daher essenziell. Die DSO sieht nach eigenen Angaben in den Krankenhäusern einen wichtigen Partner in der Aufgabe, die Organspendezahlen zu steigern. Es sei wichtig, dass die strukturellen Voraussetzungen in den Krankenhäusern flächendeckend umgesetzt würden, erläuterte Dr. Axel Rahmel, Medizinischer Vorstand der DSO. „Das betrifft vor allem die Ausgestaltung der Aufgaben der Transplantationsbeauftragten, ihre kontinuierliche Weiterbildung, aber auch die Entlastung von anderen Aufgaben und die Wertschätzung ihrer Tätigkeit – nicht zuletzt durch die Klinikleitung“, so Rahmel.

Eine Grundvoraussetzung für eine gute Entwicklung ist zumindest schon einmal vorhanden, denn die deutsche Bevölkerung ist bzgl. der Organspende größtenteils positiv gestimmt: Wie die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) über ihre aktuellste Umfrage aus dem Jahr 2016 feststellte, stehen 81 % dem Thema „eher positiv“ gegenüber. Dieser Wert hält sich laut BZgA seit Jahren um die 80-%-Marke und hat sich tendenziell sogar erhöht. Das Problem liegt viel eher in der endgültigen Entscheidung und in der Dokumentation – so haben sich nur 58 % der deutschen Bürger definitiv pro oder kontra Organspende entschieden und nur etwa ein Drittel besitzt einen ausgefüllten Organspendeausweis.

In diesem Zusammenhang fällt einem sofort die sog. „Widerspruchslösung“ ein, die in einigen anderen Ländern Anwendung findet: Man wird nach der Feststellung des Hirntodes automatisch zum (potenziellen) Organspender, wenn man dem nicht zu Lebzeiten dokumentiert widersprochen hat. Es ist angesichts der Umfragewerte wahrscheinlich, dass man hiermit einen größeren Anteil an Organspendern bekommt. Ein gesellschaftlicher Diskurs darüber, ob man die Widerspruchslösung in Deutschland haben möchte, ist sicherlich dringend angebracht. So könnte man ausloten, ob dieser Weg aktuell Akzeptanz in der Bevölkerung findet.

Auch in der vorliegenden Ausgabe der Dialyse aktuell finden Sie etwas zum Thema „Transplantation“: Ab Seite 141 können Sie sich rund um die Nierentransplantatbiopsie informieren. Dieser Beitrag ist ein Teil des wissenschaftlichen Schwerpunkts dieser Ausgabe (der „Nephropathologie“), den die Gasteditorin des aktuellen Heftes Prof. Kerstin Amann, Erlangen, und ich Ihnen wärmstens empfehlen möchten. Außerdem finden Sie in den Rubriken "Expertentipp" und "Journal-Club" interessante Aspekte zur Immunsuppression nach Nierentransplantation. Ich wünsche Ihnen eine angenehme Lektüre dieser Ausgabe der Dialyse aktuell!