Flugmedizin · Tropenmedizin · Reisemedizin - FTR 2017; 24(02): 57-58
DOI: 10.1055/s-0043-107018
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Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

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Neues aus der Reisemedizin
Unn Klare
1   Behnkenhagen
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Publication Date:
18 April 2017 (online)

Mers-CoV – immer noch präsent

Im September 2012 wurde auf der Arabischen Halbinsel ein bisher unbekanntes Virus entdeckt, das schwere respiratorische Erkrankungen hervorrief. Es hatte eine besorgniserregend hohe Letalität, die Übertragungswege gaben Rätsel auf und darüber hinaus war es nahe mit dem SARS-Virus verwandt – in der Folge entstand zwar keine Panik, aber die Besorgnis, am Anfang einer neuen SARS-ähnlichen Pandemie zu stehen, war greifbar.

Ein Dreivierteljahr später warnte die Generaldirektorin der Weltgesundheitsorganisation (WHO), dass das inzwischen MERS-CoV genannte Virus eine Gefahr für die ganze Welt darstelle – nicht so sehr wegen dem bis dahin tatsächlich beobachteten epidemiologischen Verlauf, sondern wegen der Ungewissheit, was noch kommen könnte: Eine neu auftretende Krankheit, die sich schneller verbreite als unser Wissen von ihr wachse, sei nicht unter Kontrolle.

Untermauert wurden diese Befürchtungen 2 Jahre später, als es erstmals außerhalb der Arabischen Halbinsel zu einem größeren Ausbruch kam. Innerhalb von 2 Monaten waren im Sommer 2015 in Südkorea circa 190 Menschen erkrankt und 36 an den Folgen der Infektion verstorben.

Aktuelle Situation

Seither ist es jedoch ruhig geworden um das MERS-CoV: Das Endemiegebiet ist nach wie vor auf die Arabische Halbinsel beschränkt, vereinzelte Fälle in anderen Weltregionen sind immer auf Importfälle zurückzuführen – auch der Indexpatient bei dem südkoreanischen Ausbruch hatte sich im Nahen Osten infiziert. Darüber hinaus scheint das Virus nicht so leicht von Mensch zu Mensch übertragbar zu sein wie zunächst befürchtet: Allem Anschein nach ist enger Kontakt nötig, etwa im engsten Familienkreis oder in einem Krankenhaus.

Aber auch wenn das Virus nicht mehr im Fokus der medialen Aufmerksamkeit steht: Die Letalität ist unvermindert sehr hoch (ca. 36 % weltweit, 42 % in Saudi-Arabien) und es gibt bisher weder eine verlässliche antivirale Therapiemöglichkeit noch einen zugelassenen Impfstoff. Und vor allem in Saudi-Arabien treten nach wie vor so gut wie wöchentlich Neuinfektionen auf, sodass die Krankheit hier inzwischen als endemisch betrachtet wird. Hinzu kommen gelegentliche nosokomiale Ausbrüche, wie zuletzt Mitte März in Wadi Al Dawasir im Süden des Landes – hier erkrankten mindestens 8 Personen. Weltweit wurden mittlerweile circa 1920 Fälle gemeldet, etwa 1600 hiervon in Saudi-Arabien. Mindestens 690 Menschen überlebten die Infektion nicht.


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Stand der Forschung

Zahlreiche Studien haben sich in den vergangenen Jahren mit dem MERS-CoV beschäftigt, viele Fragen bleiben jedoch nach wie vor offen. Genetische Analysen stellen das Virus in enge Verwandtschaft zu 2 Coronavirenspezies, die bei Flughunden verbreitet sind, und auch das MERS-Virus selbst hat seinen Ursprung vermutlich in Flughund- oder Fledermausbeständen. Von hier aus ist das Virus dann wohl in den 1990er Jahren auf Kamele übergesprungen – so gibt es Hinweise darauf, dass es bereits seit etwa 20 Jahren in Dromedaren zirkuliert. Und zwar nicht nur auf der Arabischen Halbinseln, sondern – zumindest in den letzten Jahren – in einem Großteil des Verbreitungsgebiets der Kamele von Afrika bis Pakistan. Einzelne Studien konnten dabei bei mehr als 90 % der untersuchten Tiere Antikörper gegen das MERS-CoV nachweisen. Dabei scheinen vor allem junge Tiere unter 4 Jahren an einem „Schnupfen“ zu erkranken. Bei ihnen konnten im Nasensekret mehr als doppelt so viele Viren nachgewiesen werden, wie bei älteren Individuen.

Wie genau die Infektion der Menschen nun erfolgt, ist bisher jedoch noch nicht zweifelsfrei geklärt. Sicher scheint, dass die Viren nicht durch die Luft übertragen werden, sondern dass es direkten Kontakts bedarf, etwa indem man mit der Hand die Nase des Tieres berührt und sich anschließend ins Gesicht fasst. Möglicherweise geht auch von roher Kamelmilch ein Infektionsrisiko aus. Bei einzelnen MERS-Patienten konnte gezeigt werden, dass sie in den Tagen vor der Erkrankung tatsächlich Kontakt zu Kamelen gehabt hatten. Bei den meisten der bisher Erkrankten handelte es sich um enge Familienmitglieder, Bettnachbarn oder Krankenhausmitarbeiter, die mit solchen Indexpatienten in Kontakt gekommen sind. Es gibt aber auch zahlreiche Fälle, in denen die Erkrankten weder Kontakt zu Kamelen oder Kamelprodukten noch zu MERS-Patienten gehabt zu haben scheinen. Die genauen Übertragungswege bleiben also rätselhaft. Genau wie die Tatsache, dass mehr als 80 % aller Fälle bisher in Saudi-Arabien aufgetreten sind – obwohl das Virus offensichtlich von Afrika bis Asien in den Kamelbeständen weit verbreitet ist.


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