Physikalische Medizin, Rehabilitationsmedizin, Kurortmedizin 2017; 27(02): 81
DOI: 10.1055/s-0043-105997
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© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Buchrezension

Rezensent(en):
L Beyer
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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
15. Mai 2017 (online)

Es ist ein besonderes Lehrbuch der Anatomie, welches der Anatom und Sportmediziner Prof. Tittel konzipiert hat.

Es ist nicht, wie meist üblich, nur ein Lehrbuch der beschreibenden Anatomie, sondern auch der funktionellen Anatomie. Die Form und der Aufbau der Organe unseres Körpers sind an die zu erfüllende Funktion angepasst. Dieser Zusammenhang wird in diesem Buch ganz besonders deutlich.

Auch in der nun 16. aktualisierten Auflage hat das Buch seinen bewährten ursprünglichen Charakter behalten: es ist in einer leicht eingängigen Sprache verfasst; die Darlegungen sind von langjähriger Erfahrung mit Studierenden geprägt, die Anatomie auch im Selbststudium zu erlernen; es ist stark funktionsbezogen und beinhaltet viele angewandte Aspekte.

Der erste Teil ist den Grundbegriffen und der Gewebslehre gewidmet.

Den Kernteil bilden das „Stütz- und Bewegungssystem“ und die „angewandte Anatomie in Alltag und Sport“. Schon die Wortwahl „Stütz- und ‚Bewegungssystem“ gegenüber dem meist in der Anatomie gebrauchten „Bewegungsapparat“ lässt die Betonung des Funktionellen auch in der Anatomie deutlich werden. In beiden Abschnitten dominiert eine ganzheitliche Betrachtungsweise. „Kinematische Gelenksysteme“, „kettenartige Zusammenhänge“ und „Fernwirkungen von Muskeln auf Gelenke“ sind weiterer Ausdruck der Besonderheit dieser „ganzheitlichen“ Anatomie. Ein Aspekt, der gerade in der Manuellen Medizin und Osteopathie hervorgehoben wird, da er hier Grundlage des diagnostischen Denkens und des therapeutischen Vorgehens ist. Die in der Manuellen Medizin und Osteopathie untersuchten und behandelten myofaszialen Verkettungen beschreibt Tittel anhand der vielfältigen Bewegungsanforderungen im Sport und gibt Ihnen im Abschnitt III „angewandte Anatomie in Alltag und Sport“ einen weiten Raum. Die Beteiligung von Muskeln, Bändern und Gelenken in komplexen mehrgelenkigen, energetisch anspruchsvollen Bewegungen als geschlossenes System, wird anatomisch beschrieben.

Der Autor definiert Funktionseinheiten, die so genannten „Muskelschlingen“, die anhand typischer Alltags- und Sportbewegungen auf 80 Seiten und ca. 50 Abbildungen streng schematisiert dargestellt sind. Dabei ist eine Zielstellung des Autors, den Studierenden in die Lage zu versetzen, anhand der erlernten Algorithmen Bewegungen selbst gezielt zu beobachten, zu analysieren und Schlüsse für Korrekturen zu ziehen. Ein weiterer Abschnitt sind die Organsysteme, die ebenfalls sehr gut verständlich beschrieben sind. Vom Verlag wurden im Buch verstreute Erklärungstexte als „Exkurs“, „Klinik“ und „Sport“ besonders hervorgehoben. Als Anhang sind 2 Publikationen zum Thema Faszien beigefügt. Das Buch hat ein Fachwortverzeichnis und eine Literaturzusammenstellung, welche konsequent auf neuere Ergebnisse angewandter Grundlagenforschung unter ganzheitlichem funktionellem Aspekt ausgerichtet ist.

Das Lehrbuch wendet sich an einen breiten Leser- und Nutzerkreis: im Sport sind es Sportmediziner, Trainer und die Sporttreibenden selbst; in der physikalischen und rehabilitativen Medizin sind es die Physiotherapeuten, Ergotherapeuten und Sporttherapeuten. Mit dieser Zielstellung wurde das Buch in der jetzigen Auflage durch einen Rehabilitations- und Sportmediziner aktualisiert. Das Buch ist aber, wie schon eingangs erwähnt, so geschrieben, dass es auch verständlich und interessant für die zahlreichen Jünger von Fitness und Freizeitsport ist oder für jeden der sich eingehender mit dem Aufbau seines Körpers befassen möchte. Für Teilnehmer anspruchsvoller Fortbildungskurse, kann das vorliegende Buch zum begleitenden Selbststudium empfohlen werden.

L. Beyer, Jena