manuelletherapie 2017; 21(02): 49
DOI: 10.1055/s-0043-105157
Editorial
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

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Sebastian Klien
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Publication Date:
19 May 2017 (online)

Der schwache Muskel – nur das Opfer eines Reflexes?!

Manualtherapeuten beschäftigen sich in ihrem klinischen Alltag häufig direkt oder indirekt mit dem Phänomen von geschwächter Muskulatur. Ein Grund für eine Muskelschwäche kann die reflektorische Inhibition eines Muskels sein: Eine „arthrogene Muskelinhibition“ (AMI).

Mich persönlich interessiert dieses Thema schon seit einigen Jahren. Nicht selten konnte ich beobachten, dass Patienten mit vorderer Kreuzbandplastik und Streckdefizit keine signifikante Verbesserung ihrer Kraft erreichten, solange das Bewegungsdefizit bestand. Das Interesse für dieses Thema veranlasste mich vor einigen Jahren zur Publikation einer Literaturstudie in der manuelletherapie [2].

Aber noch immer führt die AMI ein recht unbekanntes Dasein. Dabei wurde das Phänomen der arthrogenen Hemmung schon im Jahre 1965 erstmals erwähnt [1]. DeAndrade et al. [1] stellten mittels Injektion von Saline-Lösung in ein Kniegelenk bei gleichzeitiger Druckzunahme einen progressiven Verlust an Quadrizepsstärke und zugleich eine Verringerung der EMG-Aktivität fest.

Für den Mechanismus der arthrogenen Muskelinhibition oder arthrogenen Muskelschwäche fand ich folgende passende Beschreibungen:

  • Eine Schwäche von Muskeln, die um ein verletztes oder entzündetes Gelenk liegen. Schwäche bedeutet entweder einen Verlust an Muskelkraft oder die Unfähigkeit, die Muskeln zu aktivieren [4].

  • Das Unvermögen, einen unverletzten Muskel, der über ein verletztes Gelenk zieht, maximal willkürlich zu aktivieren [3].

Die AMI beschreibt also die Auswirkungen von Dysfunktionen, d. h. Störungen eines Gelenkkomplexes. Diese Störungen können neurophysiologische Aktivitäten der auf das Gelenk einwirkenden Muskeln beeinträchtigen. Die Folge davon ist eine verminderte Muskelaktivität.

Da dieses Phänomen nicht selten im klinischen Alltag vorkommt – vielleicht ohne dass wir wissen, was dazu führt –, war es uns Herausgebern ein Anliegen, die AMI und ihre Hintergründe von Experten beleuchten zu lassen. Welche Mechanismen zu einer AMI führen und welche Auslöser dafür bekannt sind, erläutern uns die beiden Autoren Karsten Keller und Martin Engelhardt.

Eine Mobilisation der Hüfte verbessert die Kraft der Hüftextensoren und in der Folge die Rückenschmerzen eines Sportlers. Der klinische Umgang mit der AMI sowie praktische Tipps stellt Thomas Horre anhand eines Praxisbeispiels dar.

Möglicherweise erkennen Sie ja beim Lesen des Praxisbeispiels Ihren eigenen Patienten, den Sie gerade behandeln. Vielleicht können unsere Autoren Sie für dieses Thema auch so begeistern, wie es mich begeistert.

Ganz egal wie, ich wünsche Ihnen eine spannende Lektüre mit dieser 2. Ausgabe 2017.

Es grüßt Sie herzlichst

Ihr Sebastian Klien