Dtsch Med Wochenschr 2017; 142(12): 857
DOI: 10.1055/s-0043-104814
Editorial
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Krebstherapie: Was ist ergänzend möglich?

Complementary Therapies for Cancer
Wolfgang Hiddemann
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Publication Date:
21 June 2017 (online)

Liebe Leserinnen und Leser,

in der Therapie von Krebserkrankungen gibt es kaum ein anderes Thema, das so intensiv und oft auch kontrovers diskutiert wird, wie das Thema der komplementären Behandlungsverfahren. Die Diskussion um dieses Thema nimmt auch in der breiten Öffentlichkeit und der Presse einen großen Rahmen ein. Dabei werden Argumente oft hochemotional ausgetauscht und wird die Grundlage einer sachlichen und neutralen Auseinandersetzung gelegentlich verlassen. Dies wird schon alleine dadurch verdeutlicht, dass derartige Verfahren zum Teil als „alternative“ Behandlungsverfahren bezeichnet werden. Dieser Begriff bedeutet im wörtlichen Sinne eine echte Alternative zu sogenannten schulmedizinischen Behandlungskonzepten, d. h. den Verzicht auf wissenschaftlich belegbare Vorgehensweisen zugunsten einer als alternativ betrachteten Behandlungsoption.

Erfreulicherweise hat die Diskussion in den vergangenen Jahren dazu geführt, dass eine derartige kontroverse Einstellung weitgehend verlassen wurde und der Begriff der alternativen Behandlungsverfahren durch die Bezeichnung „komplementärer“ Verfahren weitgehend abgelöst wurde. Diese Entwicklung ist außerordentlich zu begrüßen, da komplementäre Verfahren in der Krebsbehandlung durchaus eine wichtige Ergänzung anderer standardisierter Therapiekonzepte darstellen können. Allerdings darf dabei nicht außer Acht gelassen werden, dass komplementäre Therapieverfahren ebenso einer sorgfältigen Indikationsstellung und einer Abwägung des Nutzen- und Risikoprofils bedürfen, wie sogenannte schulmedizinische Vorgehensweisen. Die weit verbreitete Ansicht, dass komplementäre Therapien „natürliche“ Behandlungen und damit ungefährlich sind, ist nicht korrekt – wie zahlreiche Berichte über Nebenwirkungen ergänzender Therapieverfahren verdeutlichen. Gerade in der jüngsten Zeit wurde von den amerikanischen Aufsichtsbehörden über mehrere zum Teil tödlich verlaufende Nebenwirkungen homöopathischer Behandlungen berichtet. Es wird daher dazu aufgerufen, auch komplementäre Verfahren den entsprechenden Nachweisen einer Wirksamkeit und Unschädlichkeit zu unterziehen.

Das Dossier in diesem Heft soll dazu beitragen, das große Gebiet der komplementären Verfahren in der Krebstherapie aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu beleuchten. Es soll eine bessere Orientierung ermöglichen und eine Übersicht geben, welche ergänzenden Behandlungsverfahren bei bösartigen Krankheiten sinnvoll sind. Dieser nicht ganz einfachen Herausforderung sind die Autoren dieses Dossiers in höchst kompetenter Art und Weise nachgekommen. So geben A. Ernst und S. Klein einen allgemeinen Überblick über komplementäre und alternative Behandlungsmethoden bei Krebs. Zu den spezifischen Aspekten der Ernährung bei Krebserkrankungen nimmt J. Arends ausführlich Stellung. J. Holch et al. beleuchten den Aspekt der Einnahme von Vitaminen und Spurenelementen, während A. Eustachi die Bedeutung der Naturheilkunde als Ergänzung schulmedizinischer Behandlungsverfahren kompetent umreißt.

Insgesamt kann das vorliegende Heft der DMW dazu beitragen, die allgemeine Unsicherheit beim Umgang mit komplementären Therapieverfahren bei Krebserkrankungen zu beseitigen und die Grundlagen für einen sinnvollen Einsatz im Rahmen einer umfassenden Betreuung krebskranker Menschen legen.

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Prof. Dr. med. Wolfgang Hiddemann