Zusammenfassung
Einleitung Neuralrohrdefekte zeigen weltweit eine Prävalenz von 1 – 2 : 1000 unter Neugeborenen.
Sie beruhen auf einer gestörten Neurulation in der 3. – 4. Entwicklungswoche und stellen
damit die früheste Manifestation einer Organfehlbildung dar. Neuralrohrdefekte lassen
sich in kraniale Dysraphien mit Anenzephalie oder Meningoenzephalozele und spinale
Dysraphien mit oder ohne Meningomyelozele einteilen. In isolierter Form sind sie multifaktoriell
bedingt und in Mitteleuropa mit einem empirischen Wiederholungsrisiko von 2% behaftet.
Als assoziierte Fehlbildung treten sie zumeist sporadisch auf und in monogenen Syndromen
folgen sie einem Mendel-Erbgang mit hohem Wiederholungsrisiko.
Patienten Die Untersuchungen erfolgten an 68 Feten, die uns nach Pränataldiagnose eines Neuralrohrdefekts
und Schwangerschaftsabbruch zur Obduktion überstellt worden waren.
Ergebnisse Die Rate von Neuralrohrdefekten in unserem fetalpathologischen Obduktionsgut betrug
8%, bezogen auf die Feten mit Fehlbildungen 11%. Der Anteil der Anenzephalien, Enzephalozelen
und Spinae bifidae lag bei 24 : 18 : 60%*. Das Geschlechtsverhältnis ergab eine deutliche
Bevorzugung des weiblichen Geschlechts bei den kranialen Dysraphien und war ausgeglichen
unter den Spina-bifida-Fällen. Die Neuralrohrdefekte variierten in Ausdehnung und
Lokalisation. In der großen Mehrzahl der Fälle waren sie lumbosakral gelegen. Isolierte,
assoziierte und syndromale Neuralrohrdefekte traten mit einer Häufigkeit von 56 : 23,5 : 20,6%
auf. Bei der Mehrzahl der Syndrome stellte der Neuralrohrdefekt ein bisher nicht beobachtetes
Merkmal dar.
Schlussfolgerungen Eine syndromorientierte fetalpathologische Untersuchung oder zumindest eine fotografische
und röntgenologische Dokumentation des fetalen Phänotyps zur Syndromerkennung durch
den genetischen Berater sind die Voraussetzungen für die Bestimmung des Wiederholungsrisikos
und eine gezielte pränatale Diagnostik bei nachfolgenden Schwangerschaften.
Schlüsselwörter
Neuralrohrdefekte - Spina bifida - Enzephalozele - Chiari-II-Malformation - Fetalpathologie