B&G Bewegungstherapie und Gesundheitssport 2017; 33(02): 75-76
DOI: 10.1055/s-0043-102781
Wissenschaft
Haug Verlag in Georg Thieme Verlag KG Stuttgart

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S. Peters
Abteilung für Medizinische Psychologie, Medizinische Soziologie und Rehabilitationswissenschaften, Universität Würzburg
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Publication Date:
11 April 2017 (online)

Krafttraining in der Rehabilitation der koronaren Herzkrankheit: Ein Review

Originalpublikation

Xanthos PD, Gordon BA, Kingsley MIC: Implementing resistance training in the rehabilitation of coronary heart disease: A systematic review and meta-analysis. International Journal of Cardiology. 2016; in press, doi: 10.1016/j.ijcard.2016.12.076

Zusammenfassung übersetzt aus dem Englischen von S. Peters

Hintergrund

Krafttraining hat sich in kardiologischen Rehabilitationsprogrammen als wirksam erwiesen, aber die optimale Verordnung von Krafttraining ist unbekannt. Dieses systematische Review mit Metaanalyse verglich die Effektivität einer kardiologischen Rehabilitation, bestehend aus Krafttraining alleine (KT) oder in Kombination mit Ausdauertraining (CT), mit Ausdauertraining alleine (AT) in Bezug auf Outcomes der körperlichen Funktionsfähigkeit. Weiterhin wurden die Intensität des Krafttrainings sowie die Dauer untersucht, um herauszufinden, ob diese Faktoren einen Einfluss auf die Wirksamkeit haben.


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Methodik

6 elektronische Datenbanken wurden durchsucht, um Studien zu identifizieren, welche Krafttraining, koronare Herzkrankheit und körperliche Funktionsfähigkeit untersuchen. Die Qualität der Evidenz insgesamt wurde bewertet anhand des GRADE Ansatzes. Wenn möglich wurden Metaanalysen durchgeführt, und für die übrigen Daten wurde eine qualitative Analyse verwendet.


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Ergebnisse

Verbesserungen der maximalen Sauerstoffaufnahme (WMD: 0,61, 95 % KI: 0,20-1,10), der maximalen Arbeitskapazität (SMD: 0,38, 95 % KI: 0,11-0,64) und der Muskelkraft (SMD: 0,65, 95 % KI: 0,43-0,87) favorisieren CT signifikant gegenüber AT alleine mit Evidenz moderater Qualität. Es bestand keine Evidenz hinsichtlich eines Unterschieds in der Wirksamkeit beim Vergleich von RT und AT. CT mit kurzer Dauer war AT mit kurzer Dauer überlegen bzgl. Verbesserungen der maximalen Sauerstoffaufnahme und der Muskelkraft (Evidenz niedriger Qualität). CT mit längerer Dauer war hingegen gegenüber AT mit längerer Dauer nur überlegen im Hinblick auf die Verbesserung der Muskelkraft (Evidenz moderater Qualität).


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Schlussfolgerungen

Die Kombination von Kraft- und Ausdauertraining ist besser als nur Ausdauertraining im Hinblick auf die Verbesserung der körperlichen Funktionsfähigkeit. Obwohl die vorläufigen Ergebnisse vielversprechend sind, bedarf es mehr Evidenz hoher Qualität, um die Wirksamkeit von hochintensivem Krafttraining festzustellen. Interventionen mit kürzerer Dauer, welche Krafttraining beinhalten, könnten es Patienten ermöglichen, früher zu ihren Aktivitäten des täglichen Lebens zurückzukehren.

Kommentar aus der Praxis: Zweifel sind angebracht

Was bzgl. der dargelegten Übersichtsarbeit von Xanthos et al. kritisch bedacht werden sollte: War das, was dort als Krafttraining bezeichnet wird, in allen Studien auch tatsächlich Krafttraining und nicht vielmehr „Ausdauertraining an Kraftgeräten“? Hier sind Zweifel angebracht. In der Rehamedizin in Deutschland können z. B. Ausbelastungstests oft nicht durchgeführt werden aufgrund der Pathophysiologie der Krankheitsbilder und der damit verbundenen möglichen Gefährdung. Da aber für eine exakte Dosierung ein exakt durchgeführter Eingangstest, sprich Maximaltest, durchgeführt werden müsste, stellt sich die Frage, ob die richtige Dosierung stets gegeben ist. Gerade in der Kardiologie verzichtet man häufig auf Maximalkrafttests aus Angst vor der potenziellen Gefahr von Blutdruckspitzen und gegebenenfalls gefährlichen Herzrhythmusstörungen. Prozentangaben für Krafttraining resultieren dann mehr aus Kalkulation als aus einem exakten Maximalkrafttest.

In diesem Heft erscheint die Arbeit von Berckhan et al., deren explizites Ziel es war, die genaue Dosierung von Trainingsprogrammen zu beleuchten. Diese Lektüre lege ich den Lesern ans Herz.

Außerdem beobachte ich in der Praxis schon länger ein zunehmend fehlendes Verständnis der Terminologie der Trainingslehre, der Dosierungskriterien sowie einer guten Leistungs- und Funktionsdiagnostik (siehe Ergometrieleitlinien der DGSP) Dies führt generell dazu, dass oft keine adäquaten Ausbelastungstests (egal ob Kraft oder Ausdauer) zur Eingangsdiagnostik durchgeführt werden. Die Intensität einer Belastung errechnet sich aus der mechanischen Leistung des dazugehörigen Tests und nicht aus der physiologischen Reaktion (z. B. Herzfrequenz etc.). Die Arbeit von Kloss et al. in dieser Ausgabe zeigt die Diskrepanz der Definition von Intensität am Beispiel der Herzfrequenz und der mechanischen Leistung in Watt, was führt dazu, dass Intensitäten grundsätzlich zu niedrig berechnet werden.

Die Intensitäten werden dermaßen unterschiedlich definiert, sodass vermeintlich hohe Prozentzahlen in der Physiologie lediglich mittlere Intensitäten in der mechanischen Leistung bedeuten.

Uwe Schwan


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