Zusammenfassung
Cochlea-Implantate sind elektronische Reizprothesen zum funktionellen Ersatz des Innenohrs.
Aufgrund der rasanten technischen Entwicklung und den dadurch erzielten guten Ergebnissen
haben sie sich zur Standardtherapie bei sensorischer Taubheit etabliert.
Die Cochlea-Implantat-Versorgung erfordert ein interdisziplinäres Team und ein qualitätsgesichertes
Konzept, das von der Indikationsstellung bis zur lebenslangen Nachsorge reicht und
das in der AWMF-Leitlinie Cochlea-Implantat niedergelegt ist (AWMF Leitlinie Cochlea-Implantate
[1]).
Heutige Cochlea-Implantat-Systeme sind teilimplantierbar und mit einer Vielzahl von
Zusatzfunktionen wie bei Hörgeräten zur Schallvorverarbeitung und Störschallunterdrückung
ausgestattet. Die intracochleäre Elektrodenlage ermöglicht eine differentielle Stimulation
des Hörnerven und damit die Vermittlung unterschiedlicher Tonhöheneindrücke. Durch
diese Nachbildung der Frequenzorganisation des Innenohrs können komplexe Schallsignale
wie Sprache in ein differenziertes neuronales Erregungsmuster des Hörnerven umgesetzt
werden, welches Basis für das Sprachverstehen mit einem Cochlea-Implantat ist.
Indikationen sind heute die beidseitige sensorische hochgradige Schwerhörigkeit und
Taubheit sowohl bei Kindern als auch bei Erwachsenen, die einseitige Taubheit sowie
die Hochtontaubheit. Cochlea-Implantate sind immer dann indiziert, wenn ein ausreichendes
Sprach- und Kommunikationsvermögen (Gebrauch des Telefons) oder eine Sprachentwicklung
mit alternativen Methoden nicht möglich oder zu erwarten sind.
Die chirurgische Technik ist standardisiert und für alle Patienten anwendbar. In der
Regel wird ein transmastoidales Vorgehen mit posteriorer Tympanotomie und Insertion
der Elektrode durch die runde Fenstermembran präferiert. Die Befestigung des Implantatkörpers
in einem Knochenbett stellen ebenso wie die sichere Elektrodenfixation nahe der Cochlea
entscheidende Elemente für ein komplikationsarmes Verfahren dar. Die hörerhaltende
Cochlea-Implantat-Chirurgie ist heute Standard und ermöglicht die Versorgung von Patienten
auch mit Restgehör.
Die intraoperativ erhobenen elektrophysiologischen Parameter erlauben neben der Funktionskontrolle
des Implantates eine Anpassung der Systeme, insbesondere bei Kindern, auf der Basis
objektiver Parameter. Das sich anschließende Hör-Sprach-Training zielt auf den Spracherwerb
bzw. das Spracherkennen ab. Die lebenslange Nachsorge umfasst neben medizinischen
und technischen Kontrollen auch technologische Upgrades und das Erkennen und Behandeln
von Komplikationen.
In der Regel erreichen postlingual ertaubte Patienten ein offenes Sprachverständnis
und können telefonieren. Bei Kindern wird bei früher Implantation nach Eintritt der
Ertaubung in der Regel eine nahezu normale Sprachentwicklung erreicht.
Die Komplikationsrate ist gering. Implantatausfälle treten bei ca. 2–4% der Patienten,
medizinische Komplikationen bei ca. 4% der Implantierten auf. Reimplantationen können
in der Regel ohne Probleme durchgeführt werden. Die Patienten profitieren von einem
technologischen Upgrade.
Die zukünftigen Entwicklungen gehen in Richtung des bionischen Ohres, das die Wiederherstellung
des Gehörs durch Nachbildung des physiologischen Hörvorgangs mithilfe der Technik
anstrebt. Dazu werden Elektroden mit einer deutlich höheren Anzahl von elektrisch
getrennten Kanälen entwickelt. Durch Oberflächenfunktionalisierung und zusätzliche
biologische Therapie lassen sich die Regeneration des Hörnerven mit Aufwachsen der
Dendriten auf die Elektrode sowie eine Verhinderung einer weiteren Spiralganglienzellendegeneration
erreichen. Damit können deutlich bessere Sprachverarbeitungsstrategien zum Einsatz
kommen, die auch ein tonales Gehör z. B. für Musik ermöglichen. Telemedizinische Konzepte
erlauben neue Formen der Patientenversorgung mit aktiver Beteiligung des Patienten,
automatisierte technische Implantatkontrolle, Remote Care, Selbstprogrammierung und
technologische Upgrades. Durch multimodale Stimulation mit integrierten intracochleären
mechanischen oder optoakustischen Aktuatoren werden universelle Hörimplantate möglich,
die eine individuell optimale Hörrehabilitation erlauben und bei progredientem Hörverlust
jederzeit nachjustiert werden können. Der Einsatz robotischer Systeme wird zu einer
wesentlichen Erhöhung der Präzision und Verbesserung der Hörerhaltung führen. Sogenannte
Closed-Loop-Systeme mit Messung des EEG-Signals ermöglichen eine automatisierte Adaptation
des Implantatsystems an verschiedene Hörsituationen. Vollimplantierbare Hörsysteme
sind in Entwicklung und erlauben das sogenannte Invisible Hearing zur Überwindung
des Stigmas Schwerhörigkeit.
Insgesamt darf das Cochlea-Implantat als Prototyp für den Sinnesersatz gelten. Zur
Zeit sind weltweit ca. 500 000 Patienten mit einem Cochlea-Implantat versorgt.
Abstract
Cochlear implants are the treatment of choice for the auditory rehabilitation of patients
with sensory deafness. They restore the missing function of inner hair cells by transforming
the acoustic signal into electrical stimuli for activation of auditory nerve fibers.
Due to the very fast technology development cochlear implants provide open-set speech
understanding in the majority of patients including the use of the telephone. Children
can achieve a near to normal speech and language development provided their deafness
is detected early after onset and implantation is performed quickly thereafter. The
diagnostic procedure as well as the surgical techniques have been standardized and
can be adapted to the individual anatomical and physiological needs both in children
and adults. Special cases such as cochlear obliteration or malformations can be addressed.
Device failures and medical complications might require special measures and reimplantation
which can be done in most cases in a straight forward way. Technology upgrades count
for better performance.
Future developments will focus on better electrode nerve interfaces by improving electrode
technology. An increased number of electrical contacts as well as the biological treatment
with regeneration of the dendrides growing onto the electrode will increase the number
of electrical channels. This will give room for improved speech coding strategies
in order to create the bionic ear, i. e. to restore the process of natural hearing
by means of technology. The robot assisted surgery will allow for high precision surgery
and reliable hearing preservation. Biological therapies will support the bionic ear.
Methods are biohybrid electrodes which are coded by stem cells transplanted into the
inner ear to enhance autoproduction of neurotrophins. Local drug delivery will focus
on suppression of trauma reaction and local regeneration. Gene therapy by nanoparticles
will hopefully lead to the preservation of residual hearing in patients being affected
by genetic hearing loss. Overall the cochlear implant is a very powerful tool to rehabilitate
patients with sensory deafness. More than 1 million of candidates in Germany today
could benefit from this high technology auditory implant. Only 50,000 are implanted
so far. In the future the procedure can be done under local anesthesia, will be minimal
invasive and straight forward. Hearing preservation will be routine.
Schlüsselwörter
Cochlea-Implantat - sensorische Taubheit - Diagnostik - Implantation - Ergebnisse
- Komplikationen - zukünftige Entwicklungen
Key words
cochlear implant - sensory deafness - diagnostics - surgical procedure - results -
complications - future developments