Z Geburtshilfe Neonatol 2017; 221(01): 43-44
DOI: 10.1055/s-0043-101731
Leserbrief
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Vergleich der Perzentilkurven von Körpermaßen neugeborener Einlinge, Zwillinge und Drillinge

M. Voigt
1   Zentrum für Medizin und Gesellschaft, Universität Freiburg, Freiburg
2   Klinik für Allgemeine Kinder- und Jugendmedizin Funktionsbereich Neonatologie/Intensivmedizin, Universitätsklinikum Freiburg, Freiburg
,
R. Hentschel
2   Klinik für Allgemeine Kinder- und Jugendmedizin Funktionsbereich Neonatologie/Intensivmedizin, Universitätsklinikum Freiburg, Freiburg
,
M. Kunze
3   Frauenklinik, Abteilung Geburtshilfe, Universität Freiburg, Freiburg
,
W. Nikischin
4   Kinderklinik, Abteilung Neonatologie, Universität Kiel, Kiel
,
D. Olbertz
5   Abteilung Neonatologie und Neonatologische Intensivmedizin, Klinikum Südstadt, Rostock
,
H. P. Hagenah
6   Frauenklinik, Abteilung Geburtshilfe, Agaplesion-Klinikum, Rotenburg
,
U. Wittwer-Backofen
1   Zentrum für Medizin und Gesellschaft, Universität Freiburg, Freiburg
,
A. Strauss
7   Christian-Albrechts-Universität, Kiel
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Publication History

Publication Date:
31 March 2017 (online)

Sehr geehrte Herausgeber,

Wachstum charakterisiert als richtungsweisendes Kennzeichen das kindliche Gedeihen. Geburtsgewicht-Perzentilkurven stellen die Datengrundlage zur objektiven populationsadaptiert-vergleichenden Beurteilung der longitudinalen Wachstumsentwicklung dar.

Vorgeburtliche Wachstumsvorgänge und in der Folge die Geburtsgewichte der Neugeborenen sind vielfältigen Einflüssen wie Ethnie, Ernährungszustand, mütterlichen Erkrankungen (schwangerschaftsinduzierte Hypertonie, Präeklampsie, Diabetes mellitus), Eihautverhältnissen, Plazentafunktionsstörungen (Plazentainsuffizienz, plazentare oder Nabelschnuranomalien) und kindlichen Faktoren (Geschlecht, kongeniale Anomalien) ausgesetzt. Wachstumsmodulierende Störungen sind dabei in Mehrlingsschwangerschaften gehäuft anzutreffen. Die Geburtsgewichtsverteilung von Zwillingen und Drillingen weicht daher verglichen mit Einlingen zu niedrigeren Werten hin ab. Der Einsatz von Einlingsnomogrammen zur Geburtsgewichtsbewertung (hypo-, eu- oder hypertroph) führt so bei Mehrlingen zu folgewidrigen Einschätzungen mit u.U. Konsequenzen für resultierende Behandlungsentscheidungen. Solchen Fehlschlüssen entgegenzutreten sind die jüngst veröffentlichten Geburtskörpermaße von Einlingen, Zwillingen und Drillingen, aus Daten der Deutschen Perinatalerhebung errechnet, geeignet. Abschließend lassen sich die erzielten Ergebnisse in [Abb. 1] [2] vergleichend betrachten.

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Abb. 1 Geburtsgewichts-Perzentilkurven Mädchen.
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Abb. 2 Geburtsgewichts-Perzentilkurven Knaben.

Der aus den Einlings-, Zwillings- und Drillingsgeburtsgewichten abgeleitete Vergleich der Perzentilentwicklung weist die erwartete sukzessive Abflachung für Zwillinge und Drillinge ab 32 SSW auf. Ein durchgreifender Einfluss des Kindsgeschlechtes auf den Kurvenverlauf der anthropometrischen Parameter besteht dabei nicht.

Methodische Einschränkungen der Interpretation der hier kommunizierten Ergebnisse sind in Bezug auf die fehlende Berücksichtigung der Eihautverhältnisse wie auch Irrtümer bei der Bestimmung der Geburtsgewichte resultierend aus nicht exakten Wiegevorgängen (wiegen mit Tubus, verspätetes Wiegen und Gewichtsabnahme, Dehydratation) besonders bei kleinen Frühgeborenen zurückzuführen. Daneben begründet die Errechnung von Perzentilkurven in niedrigem Gestationsalter u.U. die fehlerhafte Unterschätzung normwertiger Geburtsgewichtsbereiche, da bei frühen Frühgeburten gehäuft nicht ungestörte Schwangerschaftsverläufe vorausgegangen waren. Die Daten unterliegen somit einer Negativselektion von kränkeren und kleineren Frühgeborenen. Diese potenziellen Schwächen der Ergebnisqualität wirkt allerdings die hohe Fallzahl der hier analysierten Geburten entgegen [1] [2] [3].

In Bezug auf die praktische Verwendung des gewonnenen Perzentilkurvenvergleichs ist zu beachten, dass es sich um tragzeitspezifische Geburtsgewichtsperzentilen (als Abbild der somatischen Klassifikation Neugeborener bei der Geburt) und nicht um die Beschreibung der somatischen Entwicklung von Feten handelt. Zur Bewertung pränataler Wachstumswerte (sonografische Biometrie) können diese Ergebnisse daher nur als Näherung Verwendung finden. Divergenzen sind dabei sowohl hinsichtlich der mathematischen Schätzgewichtsbestimmung aus pränataldiagnostischen Biometriewerten wie auch hinsichtlich der Diskrepanz fetaler Wachstumsparameter im Vergleich zu Geburtsgewichten einzukalkulieren [4].

 
  • Literatur

  • 1 Voigt M, Rochow N, Schneider KTM. et al. Neue Perzentilwerte für die Körpermaße neugeborener Einlinge: Ergebnisse der deutschen Perinatalerhebung der Jahre 2007–2011 unter Beteiligung aller 16 Bundesländer. Zeitschrift Geburtshilfe und Neonatologie 2014; 218: 210-217
  • 2 Voigt M, Rochow N, Schneider KTM. et al. Neue Perzentilwerte für die Körpermaße neugeborener Zwillinge: Ergebnisse der deutschen Perinatalerhebung der Jahre 2007–2011 unter Beteiligung aller 16 Bundesländer. Zeitschrift Geburtshilfe und Neonatologie 2014; 218: 1-7
  • 3 Voigt M, Olbertz D, Henschel R. et al. Perzentilwerte für die Körpermaße neugeborener Drillinge: Ergebnisse der deutschen Perinatalerhebung der Jahre 2007–2011 unter Beteiligung aller 16 Bundesländer. Zeitschrift Geburtshilfe und Neonatologie 2016; 220: 185
  • 4 Hart NC, Hilbert A, Meurer B. et al. Macrosomia: a new formula for optimized fetal weight estimation. Ultrasound Obstetrics Gynecology 2010; 35: 42-47