Zunehmend kommen besorgte Eltern zu mir in die Praxis und berichten von umschriebenen
Verhaltens- und Lernproblemen ihrer Kinder sowie motorischen Unsicherheiten, die ihre
Ursache in sog. persistierenden frühkindlichen Reflexen hätten. Man habe ihnen geraten,
mit ihrem Kind zu einem „Reflextherapeuten“ zu gehen, der ihrem Kind Übungen zeige,
diese Reflexe wegzutrainieren. Sie fragen mich dann, was ich davon hielte. Es geht
in diesem Artikel nicht darum, die Wirksamkeit einer besonderen Therapiemethode zu
be- oder widerlegen, sondern darum, meinem Unwohlsein gegenüber solchen scheinbar
einfachen, funktionalen Methoden bzw. Konzepten zu begegnen. Es stellen sich mir zahlreiche
Fragen: Wie können wir die Kindesentwicklung betrachten? Welche Theorien und Modelle
gibt es dazu? Gibt es einen Unterschied zwischen Reifung und Entwicklung? Wo finden
in diesem Rahmen (herkömmliche) Therapien ihren Platz?