Suchttherapie 2022; 23(S 01): S38
DOI: 10.1055/s-0042-1756048
Abstracts
S27: How many cravings: Neue Erkenntnisse zu Craving und Cue-Reactivity bei suchtartigen Verhaltensweisen

Auf der Suche nach neuralen Biomarkern der Sucht: Gibt es Licht am Ende des MRT-Tunnels?

P Bach
1   Zentralinstitut für Seelische Gesundheit, Mannheim
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Einleitung Patienten mit der gleichen Abhängigkeitsdiagnose zeigen eine ausgeprägte Heterogenität im Hinblick auf den Verlauf ihrer Erkrankung und das Ansprechen auf Behandlungen. Aktuell ist es daher kaum möglich basierend auf diagnostischen Kategorien vorherzusagen, ob ein spezifischer Patient von einer bestimmten Behandlung profitieren wird. In den letzten Jahren wurden Bemühungen unternommen um Biomarker der Sucht zu identifizieren. Ein Kandidat für einen solchen Marker stellt die neurale Reizreaktivität dar, d.h. die Gehirnaktivität, die durch Konfrontation mit Abhängigkeitsassoziierten Reizen entsteht.

Material und Methodik Mittels einer systematischen Literaturrecherche wurde untersucht inwiefern aktuell verfügbare Befunde die Eignung der neuralen Reizreaktivität als Marker der Sucht unterstützen. Zudem erfolgte eine Analyse longitudinaler Bildgebungsdaten über einen Zeitraum von zwei Wochen zur Untersuchung der Reliabilität dieses Markers bei N=144 Patienten mit einer Alkoholabhängigkeit. Zudem wurde in einer Replikationsstudie mit N=55 alkoholabhängigen Patienten die Replizierbarkeit der zuvor berichteten signifikanten Assoziationen zwischen neuraler Reizreaktivität und dem Therapieansprechen auf eine Behandlung mit Naltrexon untersucht.

Ergebnisse Die Ergebnisse der Literaturreche unterstützen das Potential der neuralen Reizreaktivität als potentieller Biomarker für Sichterkrankungen. Die Reliabilitätsanalysen der Bildgebungsdaten und Datensimulationen zeigten eine eingeschränkte globale Reliabilität der neuralen Reizreaktivität, welche einen signifikanten Einfluss auf die Etablierung von Assoziationen mit externalen Verhaltensvariablen zeigte (bspw. Alkoholverlangen). Die Ergebnisse wiesen aber auch auf eine moderat bis gute Reliabilität (ICC > 0,4) der neuralen Reizreaktivität in Schlüsselregionen des Belohnungssystems hin. Darüber hinaus konnten in der Replikationsstudie der signifikante Zusammenhang zwischen der neuralen Reaizreaktivität im ventralen Striatum und dem Ansprechen auf eine Behandlung mit Naltrexon bestätigt werden (Hazard Ratio=7,4; p=0,033). In dieser Patientengruppe zeigte sich zudem eine niedrige Number Needed to Treat von 3,4.

Zusammenfassung Die Ergebnisse der Literaturrecherche und der beiden empirischen Studien belegen das Potential der neuralen Reizreaktivität als Biomarker von Suchterkrankungen. Allerdings sind dabei einige wichtige Limitationen zu berücksichtigen. Diese werden ausführlich diskutiert und mögliche Ansätze zur Überwindung dieser Limitationen vorgestellt.



Publikationsverlauf

Artikel online veröffentlicht:
30. August 2022

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